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Deutschlands Autogrammjäger überfallen Athen

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(fc) So etwas hatten selbst die alten Griechen noch nicht erlebt. Etwa ein Dutzend hochmotivierter Sport-Autogrammsammler aus dem Hobby-Mekka Deutschland machte sich unabhängig voneinander zum größten Sport-Spektakel des Jahres, der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Athen, auf. Sage und schreibe 15000 Polizisten – fünfmal mehr als Athleten – hatten die Behörden auf die griechische Hauptstadt zusammengezogen, um für die Sicherheit der Veranstaltung zu sorgen. Mit ein paar Enthusiasten aus Mitteleuropa, die sich den Autogrammen der Athleten verschrieben hatten, rechneten wohl nur die allerwenigsten der vielen Beamten.

Wochen und Monate der akribischen Vorbereitung lagen für Markus „Big Boss“ Beuttenmüller und mich hinter uns, als am 30. Juli der heißersehnte Take-Off in Richtung Griechenland anstand. Gespannt sahen wir unserem Sammelereignis ’97 entgegen. Mit einer Fülle von gewichtigem Signiermaterial ausgerüstet, erreichten wir am Nachmittag Athen. Markus hatte sich vorher noch zwei beeindruckende Metallkoffer angeschafft, in denen sich all seine LA-Bilder befanden. Auf dem Flughafen sprach ihn ein deutscher Landsmann darauf an. Letztlich hielt er ihn für einen Mediziner. Unser wahres Vorhaben wollte uns der Kerl nicht abnehmen…

Polizei, wohin das Auge blickt

Die ersten Stunden in unserem Sammeldomizil wollten wir dazu nutzen, um bereits die Lage der Dinge ein wenig abzuchecken. Also machten wir uns bald zu Fuß und ohne Material ins nahe unserer Unterkunft mitten am Syndagma-Platz gelegene Athletenhotel Grandè Bretagne auf. Noch vor der Tür traf uns fast der Schlag. Etwa 20 Polizisten standen vor und neben dem Eingang rum. Dennoch konnten wir ohne weiteres in die Hotelhalle vordringen, wo wir sogleich auch die ersten amerikanischen und britischen Athleten entdeckten. Mit Bernd Rapp trafen wir hier einen altbekannten Sammlerfreund, der sich bereits seine ersten Autogramme holte.

Nach dieser Stipvisite ging es teils zu Fuß, teils im beliebtesten Fortbewegungsmittel in Athen, dem Taxi, zu drei weiteren Hotels. Überall das gleiche Bild: ein beängstigendes Aufgebot an Uniformierten! Das bereitete insbesondere Markus Sorgen, der bereits angesichts seiner überdimensionalen Koffer große Komplikationen befürchtete. Wir erkundigten uns an den Info-Desks, welche Nationen in den jeweiligen Häusern wohnten und erhielten auch freundlich Auskunft. Allerdings wollte man meistens von uns wissen, weshalb wir diese Infos bräuchten.

Zufrieden mit dem ersten Eindruck, aber gespannt auf unseren ersten Sammeltag, kehrten wir ins Zentrum zurück, wo wir den ersten Abend in Athen mit einem gediegenen griechischen Essen ausklingen ließen.

Rausschmiß dank Frankie Fredericks

Sicherlich ist es jedem engagierten Autogrammsammler schon mal passiert, daß er mehr oder weniger freundlich gebeten wurde, die Hotellobby zu verlassen, weil es hier nicht gestattet sei, Autogramme zu holen.

Daß den Ausschlag dafür ein Sportler selbst gibt und man sozusagen live bei dessen Reklamation dabei ist, kommt doch eher selten vor. Meistens kriegt man davon nichts mit und man kann nur Vermutungen anstellen.

Wie dem auch sei, wir sammelten bereits einige Zeit im Hotel President, in dem Nationen wie Frankreich, China, Australien und Kenia untergebracht waren. Wir hatten aufgrund unserer Erfahrungen in den anderen Hotels, wo man oft verwundert fragte, was wir denn hier täten, bereits um Erlaubnis gefragt und diese auch erhalten. So gingen wir in Ruhe unserem Hobby nach und verzeichneten gute Erfolge. Aus der kenianischen Fraktion trafen wir u.a. Moses Kiptanui, Daniel Komen, Sally Barsosio, Ismael Kirui, Bernard Barmasei und Tom Nyariki. Ich schloß sogar Freundschaft mit einem jungen Griechen, der im Hotel für die Betreuung der Presse zuständig war. Jedesmal, wenn ich ein Autogramm holte, wollte er wissen, um wen es sich dabei handelte. Es war alles wunderbar, bis, ja bis Frankie Fredericks von den Vorkämpfen zurückkam. Markus versuchte, ein Autogramm von ihm zu bekommen. Frankie sagte nur „no“ und verschwand im Lift. Wenig später kam er vom Mittagessen in die Lobby und musterte argwöhnisch unsere Sammelausrüstung. Daraufhin begab sich Frankie zu den Offiziellen am WM-Desk und brachte dort deutlich zum Ausdruck, daß man uns entfernen sollte, weil er hier im Hotel relaxen wolle. Eine Frau teilte uns dann das völlig losgelöst von der Person Fredericks mit. Es entwickelte sich nun eine kleine Diskussion, an der sich letztlich auch zivile Polizisten beteiligten und die von Fredericks noch interessiert belauscht wurde. Obwohl sie alle eigentlich das Ganze irgendwie bedauerten, bemerkte ich schnell die Aussichtslosigkeit der Verhandlungen. Frankies Wort hat eben immenses Gewicht. Also packte ich meine sieben Sachen zusammen und verabschiedete mich von meinem griechischen Freund. Er konnte gar nicht fassen, daß wir nun rausgeschmissen werden sollten und versuchte, sich für uns einsetzen. Auch vergeblich, denn ohne Akkreditierung hatten wir eben kein Anwesenheitsrecht. Nicht wenig gefrustet verließen wir daraufhin dieses Hotel, sammelten vor dem Eingang noch schnell den netten griechischen Weitspringer Koukodimos und suchten enttäuscht das Weite.

Der Frust wurde dann tags darauf noch größer, als wir die Show des Frankie Fredericks beim 100m-Finale erleben mußten. Publikumswirksam verkaufte er sich im Stadion, so wie ein Freund von nebenan! Zu unserer Freude gelang es ihm allerdings nicht, eine Medaille zu erringen. Leider holte er das einige Tage später über 200m nach!

„Koffermann“ Beuttenmüller versuchte im Gegensatz zu mir (ich hatte echt keine Lust, mir das nochmal anzutun) ein zweites Mal sein Glück im President. Dabei ging er sehr vorsichtig zu Werke und konnte unter der strengen Aufsicht der Polizei (es wurde sogar seine Tasche durchwühlt) ein paar Autogramme holen. An ein vernünftiges Sammeln war allerdings nicht zu denken!

Zum Glück handelte es sich dabei um das einzige Hotel in Athen, in dem es praktisch unmöglich war, sich als Autogrammsammler aufzuhalten, denn sonst wäre unser Unternehmen ein Schlag ins Wasser gewesen.

Hestrie Storbeck: „I will win the gold medal!“

Ein besonderes Verhältnis entwickelte sich im Laufe der Tage zu der jungen Hochspringerin Hestrie Storbeck. Dazu muß ich vorausschicken, daß sie heuer beim Meeting in Ingolstadt am Start war und ich dort im Rahmen ihres Wettkampf ein paar gute Bilder von ihr machen konnte. Als ich sie dann in Athen sah, präsentierte ich ihr stolz meine Aufnahmen. Hestrie war sichtlich überrascht, sie verteilte die verschiedenen Fotos über den Tresen an der Rezeption und staunte nicht schlecht. Danach drehte sie völlig durch. Ich hatte schon damit gerechnet, daß sie den ein oder anderen Abzug für sich haben wollte, aber die hübsche Südafrikanerin staubte letztendlich mindestens die Hälfte davon ab. Daraufhin machte sie sich daran, mir den verbliebenen Rest zu signieren. Nun trat sie in neue Verhandlungen mit mir. Sie wollte nämlich noch größere Kopien und sogar ein Poster von bestimmten Abzügen. Also nahm ich ihre ‚Bestellung‘ entgegen und sie gab mir ihre Adresse. Als krönenden Abschluß schoß ich bei diesem ersten Treff zwei neue Fotos von ihr!

Das nächste Mal trafen wir sie zwei Tage darauf, als wir uns erneut im Athens Chandris Hotel, wo zudem noch viele osteuropäische Nationen logierten, herumtrieben. Die neuen Abzüge waren fertig.

Diesmal konnte ich mit der Südafrikanerin eines der verrücktesten Gespräche der WM überhaupt führen: Was hast Du Dir für diese WM vorgenommen? Hestrie: Ich springe hier in Athen eine neue Bestleistung. Bist Du so gut in Form? Hestrie: Ich werde die Goldmedaille holen! Im Ernst? Hestrie: Ich könnte jetzt auf der Stelle springen. (…) Wie lange bleibst Du noch in Europa nach der WM? Hestrie: Ich fliege am 13. August wieder nach Hause. Keine Meetings mehr? Hestrie: Ich bin jetzt fünf Wochen in Europa, das reicht! Aber als Weltmeisterin kannst Du doch nicht nach Hause fliegen, da mußt Du doch erst bei den Grand Prix-Meetings Geld verdienen. Hestrie: Egal, ich will jetzt endlich wieder heim!

Hestrie Storbeck konnte leider ihr kühnes Vorhaben nicht in die Tat umsetzen. In der Qualifikation, die sie ohne Fehlversuch absolvierte, deutete sie aber bereits ihr großes Potential an. Im Finale standen am Ende ’nur‘ 1,90m und ein 10. Platz zu Buche. Trotzdem konnte sie bei ihrer ersten Weltmeisterschaft wichtige Erfahrungen sammeln und in zwei Jahren in Sevilla ist sie vielleicht schon groß im Rennen um den Titel. Wer weiß?

WM-Premiere für Team Palau und Peoria Koshiba

Es ist immer wieder schön, wenn man Athleten trifft und den ein oder anderen etwas näher kennenlernt. Als ich mich im Athens Chandris Hotel an einen Tisch setzte, um mir das aktuelle Programm zu Gemüte zu führen, begrüßte mich ein dunkelhäutiges Mädchen, das gerade in einem Prospekt blätterte, mit einem freundlichen „Hi!“ Ich war mir aber sicher, daß ich diese Frau noch nie vorher gesehen hatte. Neugierig geworden, sprach ich sie an. Sie erzählte mir, daß sie aus Palau komme und das die erste WM für sie und ihr Land sei. Die Unterhaltung mit Peoria Koshiba war eigentlich recht witzig. Als ich sie nach ihrer Bestzeit über die 100m fragte, wollte sie zunächst nicht damit herausrücken, weil sie ohnehin die langsamste Sprinterin des Feldes sei. Dann aber gestand sie doch ihren Rekord von 13,6 sec. Peoria meinte, sie wolle hier ihren Lauf machen, etwas von den ganz großen Sprinterinnen lernen und die Zeit einfach genießen. Eine echte Sportlerin getreu dem olympischen Motto „Dabeisein ist alles!“ Bevor das Team Palau, das sich aus Peoria, einem Coach und einem weiteren Sprinter zusammensetzte, zur Eröffnungsfeier aufbrach, nutzten wir die Gelegenheit zu einem Teamfoto (bei drei Leuten ja kein so großes Problem). Außerdem machte Markus auch von mir ein Bild für Peoria.

Wir trafen das Team Palau im Laufe der nächsten Tagen noch öfters – eigentlich fast überall liefen sie uns über den Weg, im Stadion, in der Innenstadt und natürlich auch bei unseren Besuchen in ihrem Hotel. Natürlich versäumten wir es nicht, uns unser exotisches Teamfoto signieren zu lassen. Am drittletzten Tag traten die Palauer bereits ihren 26-Stunden-Heimflug an, nachdem die Palau Interstate Summer Games anstanden. Eher zufällig weilten wir bei der Abreise in der entsprechenden Hotellobby. Peoria war etwas traurig, daß die schöne Zeit in Athen nun vorbei sei und wäre gerne noch länger geblieben. Ihr Coach blickte bereits auf die nächste WM voraus und meinte, ich sollte dann eine noch größere Kamera mitbringen, damit ich von seinen Schützlingen gute Fotos machen kann. Ich finde, daß gerade solche Athleten wie Peoria Koshiba (sie wurde übrigens bei ihrem Vorlauf ganz groß im Fernsehen gezeigt) einer Weltmeisterschaft ein gewisses Flair geben.

Auf der Suche nach Mr. Rodriguez

Am Abend des sechsten Wettkampftages machten wir uns ins Hotel der deutschen Mannschaft auf, in dem außerdem noch wichtige Nationen wie Jamaika und Kuba wohnten. Ich verlor schnell die Lust, mir die Bilder von unseren Nationalathleten signieren zu lassen. Selbst ein Rüdiger Stenzel war wenig gesprächig. Klaus Isekenmeier machte auch nicht gerade den sympathischsten Eindruck und die Diskuswerfer Schult und Riedel (v.a. letzterer) waren wieder mal unmöglich drauf. Alles in allem kann man sagen, daß der DLV mit die unsympathischste Truppe in Athen am Start hatte. Das spiegelte sich u.a. auch im Stadion wieder, als während der Aufwärmphase zum 100m-Frauen-Finale die Nationalhymne für Heinz Weis gespielt wurde. Melanie Paschke konnte selbst in diesen Sekunden im Gegensatz zu allen anderen Sprinterinnen nicht stillstehen. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie in die Luft und legte einen beeindruckenden 20m-Sprint hin. Auch die Aussage des No-Name-Gehers Andreas Erm nach seinem Wettkampf spricht Bände: „Ich spurte mir hier einen ab wie ein Bekloppter. Und wofür?“ Keine Spur von Stolz, die deutschen Farben bei der WM vertreten zu dürfen! Lediglich „Miss WM“ Susen Tiedtke-Greene hinterließ einen netten Eindruck. Sie signierte anstandslos meine mitgebrachten Fotos vom Europacup und ein Pressefoto, das ich durch einen dummen Zufall am Vormittag von einem griechischen Fotografen exklusiv erstanden hatte. Jedenfalls vergaß ich schnell die DLV-Athleten und konzentrierte mich auf die Autogramme von Sotomayor, Pedroso, Hemmings, Quesada, Quirot usw.

Sehr wichtig war Markus und mir allerdings der mexikanische Geher Miguel A. Rodriguez, der am Morgen im 50km Gehen die Bronzemedaille geholt hatte und von dem wir praktisch noch „warme“ Wettkampffotos mitgebracht hatten. Irgendwann begann ich damit, mich bei Betreuern oder anderen Athleten aus Mexiko danach zu erkundigen, ob Rodriguez schon von der Siegerehrung zurück sei. Und es zeichnete sich ab, daß er in einem der nächsten Busse ankommen müßte.

Irgendwann war es dann soweit: es kam unser Autogramm des Abends! Miguel war wirklich sehr nett, er setzte sich an einen Tisch in der Lobby, um uns dort die mitgebrachten Abzüge zu signieren. Es war zudem für mich ein Genuß, mich nebenbei mit ihm über den Wettkampf, die Weltmeisterschaft im allgemeinen und den Stellenwert des Gehens zu unterhalten. Dabei erzählte er mir auch, daßden Kampfrichtern bei ihm beinahe ein Lapsus unterlaufen wäre. Als er den Rundkurs in Richtung Stadion verlassen wollte, meinte die Jury, er hätte noch eine weitere Runde zurückzulegen, woraufhin Miguel stehenblieb, kurz diskutierte und dann unbeeindruckt als stolzer Dritter seine letzten Meter zurücklegte. Überhaupt hatte der Mexikaner auf den letzten Kilometern seine Steherqualitäten unter Beweis gestellt. Wie er mir berichtete, machte er in dieser Phase einige Plätze gut. Ja, er eilte förmlich an seinen gezeichneten Kontrahenten vorbei. Als Abschluß dieses besonders schönen Treffens mit dem sympathischen Mexikaner ließ er sich von mir noch mit seiner Medaille und den Blumen von der Siegerehrung freudestrahlend fotografieren.

Sarka Kasparkova und ihr stolzes Gold

Eines der Hotels, in dem wir nicht so oft sammelten, war das Stanley. Bei unserem ersten Abstecher dorthin trafen wir recht bald die frischgebackene Dreisprung-Weltmeisterin Sarka Kasparkova, die am Vorabend ihren Wettkampf erfolgreich bestritten hatte.

Sarka war aber zu diesem Augenblick unter Zeitdruck, weil sie dringend zur Siegerehrung ins Stadion mußte. Also signierte sie rasch ein paar Bilder und versprach uns, daß sie nach ihrer Rückkehr „alle Zeit der Welt“ haben würde. Währenddessen kuckten uns zwei zivile Polizisten über die Schulter. Uns schwahnte schon Böses, als uns dann allerdings einer der beiden fragte, ob er eines dieser Bilder haben könne, waren wir doch ein wenig überrascht. Auch dem anderen gaben wir dann noch einen Abzug (allerdings ohne Unterschrift) und er eilte noch schnell in den Bus zu Sarka, um sich ebenfalls sein Autogramm zu holen. Offensichtlich hatte die hübsche Tschechin auf die beiden Polizisten im Laufe der Zeit ziemlich Eindruck gemacht, denn nur so kann man sich deren Begeisterung erklären. Wir unterhielten uns dann noch weiter mit den beiden. Sie bestaunten unsere mitgebrachten Bilder und letztlich bekam unser Freund auch noch eins von den Ezinwa-Zwillingen, die bei der griechischen Polizei ebenfalls hoch im Kurs standen. Daraufhin besorgte er uns als kleines Dankeschön zwei Cappuccinos, nachdem wir Geld für die Fotos abgelehnt hatten. Nett! Mittlerweile war auch Bernd Rapp eingetroffen, der bereits am Vormittag Kasparkova auf dem Dachrestaurant bei ihrer kleinen Feier gesammelt und bei dieser Gelegenheit natürlich wieder neue Aufnahmen gemacht hatte.

Etwas nach 22 Uhr war es dann soweit. Sarka Kasparkova kam von der Siegerehrung zurück. Sie nahm sich die versprochene Zeit, um unsere Autogrammwünsche zu erfüllen. Danach fragte ich sie nach ihrer Goldmedaille und ob es möglich sei, sie damit zu fotografieren. Sarka willigte ohne weiteres ein, packte ihr Gold aus dem Etui und fragte mich auch noch, welche Seite der Medaille mir besser gefalle. Nachdem ich diese schwerwiegende Entscheidung getroffen hatte, konnten wir herrliche Aufnahmen von der stolzen Weltmeisterin mit ihrem Edelmetall machen. Eine einmalige Gelegenheit – oder wann hat man schon mal diese Möglichkeit? Jedenfalls sagte Sarka gleich, daß sie auch Abzüge dieser Bilder für sich wolle. Kein Problem für uns.

Mit 15x21cm-Vergrößerungen im Gepäck brachen wir dann zwei Tage darauf nochmal ins Stanley auf. Dabei wollten wir neben ihr noch unbedingt den polnischen Geher-Weltmeister Korzeniowski und den tschechischen König der Athleten Tomas Dvorak sammeln. Schnell stellte sich heraus, daß es damit wohl nichts werden sollte. Korzeniowski war bereits am Morgen abgereist (er hatte erst am Vortag seinen Wettkampf bestritten) und Dvorak befand sich mit seinen Zehnkampf-Kollegen am Meer. Also blieb uns nur noch, auf Sarka Kasparkova zu warten. Von Helena Fuchsova erfuhren wir, daß Sarka sich ein wenig hingelegt hatte und wohl in eineinhalb Stunden ins Stadion fahren würde. Die nette 400m-Läuferin versprach uns aber, ihr eine Nachricht durch die Tür zu schieben. Klasse!

Kurz vor Ablauf unserer Wartefrist kam dann Sarka tatsächlich mit ihrem Coach aus dem Aufzug und signierte gerne unsere Großfotos. Nachdem wir sie und den Trainer mit Bildern reichlich beschenkt hatten, verabschiedeten sich die beiden freundlich von uns und fuhren anschließend mit dem Bus ins Stadion, um zu trainieren. Wir für unseren Teil waren sehr damit zufrieden, diese einmaligen Bilder noch unterschrieben bekommen zu haben.

Eine Überraschung von Athen: Nezha Bidouane

Es war Samstag, unser vorletzter Tag in Athen. Markus und ich beschlossen, uns zu teilen. Während Markus in ein bewährtes Hotel aufbrach, machte ich mich auf die Suche nach der marokkanischen Mannschaft. Vagen Aussagen und Gerüchten zufolge sollten sie ebenfalls ganz in unserer Nähe in einem eigentlichen Pressehotel abgeschottet von den restlichen Nationen wohnen.

Wir hatten vor ein paar Tagen bereits einen kurzen Blick in dieses Haus geworfen, ohne allerdings einen Hinweis auf die Marokkaner zu finden. Auch schreckte uns schnell ab, daß es praktisch keine Hotelhalle gab, in der wir uns aufhalten hätten können. Trotzdem wollte ich nicht nach Hause fliegen, ohne die überraschende 400m-Hürden-Weltmeisterin Nezha Bidouane zu sammeln. Ich hatte übrigens Nezha zwei Monate vorher bereits in Nürnberg, wo sie ihr Rennen gewann, getroffen. Für mich war also Nezha im Gegensatz zu den meisten anderen kein No-Name mehr. Bevor ich zu meiner Expedition aufbrach, holte ich noch schnell die entwickelten Filme vom Wettkampf ab – und siehe da: ein Super-Shot von Bidouane mit der Nationalflagge auf der Ehrenrunde war darunter. Ich wollte eigentlich sofort davon etwas nachmachen lassen, nachdem aber unsere Freunde im Fotoshop ziemlich im Streß waren und ich auch nicht länger warten wollte, verzichtete ich kurzentschlossen darauf.

Bei dem fraglichen Hotel angekommen, setzte ich mich zunächst auf einen Stuhl neben der Rezeption und schaute in Ruhe meine brandneuen Bilder an. Als ein Polizist neben mir Platz nahm, fragte ich ihn anhand meines Fotos, ob diese Athletin in diesem Hotel sei. Er hatte wohl keinen rechten Plan, weshalb er für mich am Info Desk nachfragte. Das Mädchen dort nickte mir freundlich zu und zeigte die Treppe hoch in einen Aufenthaltsraum. Ich bedankte mich rasch und tatsächlich saß dort Nezha Bidouane mit ein paar Trainern und Betreuern ihres Teams. Ich gratulierte Nezha natürlich gleich zu ihrem tollen Erfolg. Ich ließ mir dann die mitgebrachten Nürnberg-Fotos für Markus und mich unterschreiben und präsentierte ihr schließlich das tolle Bild von Athen. Nezha und ihr Coach staunten nicht schlecht, ja Nezha sah sogar gleich den gesamten Film durch. Daraufhin vereinbarte ich mit den beiden, daß ich nun zurück ins Fotogeschäft gehen würde, um sofort größere Abzüge machen zu lassen. Der Trainer sagte mir zu, daß Nezha dann noch hier sei. Also marschierte ich eiligen Schrittes zurück, um ein paar 15×21-Abzüge machen zu lassen. Als ich dem Chef dort erzählte, weshalb ich die Bilder so schnell brauche („The world champion is waiting!“), meinte er, bei soviel Glück sollte ich noch heute ins Casino gehen. Mir lag aber mehr daran, wieder rechtzeitig zurück im Hotel zu sein.

Ich war gespannt, ob Nezha tatsächlich auf mich wartete. Die Delegation saß noch genauso rum wie 30 Minuten vorher. Ich hatte zehn Abzüge für Markus und mich nachmachen lassen, zwei davon schenkte ich gleich Nezha, die dann auch damit begann, den Rest zu signieren. Ehe ich mich versah, drehten aber die ganzen Leute in dem Raum angesichts des tollen Bilds durch. Alle frohlockten vor Begeisterung und wollten eins haben. Am Ende waren noch drei (!) Fotos für mich übrig. Nezha tat das wohl auch ein wenig leid und sie gab mir einen der beiden Abzüge zurück. Auch ein anderer Marokkaner, der erst zwei Bilder abgestaubt hatte, erbarmte sich meiner. Ich packte daraufhin schnell meine Autogramme ein und suchte das Weite, ehe ich noch weitere Verluste zu beklagen hatte.

Nezha Bidouane war sicherlich eine der positivsten Erscheinungen in Athen. Sowohl aus sportlicher wie auch aus meiner Sicht als Autogrammsammler. Wohl kaum einer der Experten hatte die Marokkanerin als Weltmeisterin auf der Rechnung. Dabei stellte sie bereits im Vorfeld der WM ihr Können bei mehreren Meetings eindrucksvoll unter Beweis. Ich gönnte der sympathischen Sportlerin jedenfalls ihren Erfolg und freue mich bereits darauf, sie im nächsten Jahr hoffentlich wieder zu treffen! In Nürnberg, wie Nezha selbst meinte!

Mark Everett: „What’s my name?“

Eine neue Masche bei den Leichtathleten, vor allem bei solchen, die aus den USA stammen, ist es, Sammler, die sich Briefkarten unterschreiben lassen wollen, mit der Frage nach dem eigenen Namen zu überraschen. Hautnah miterleben konnten wir dies in Athen bei Mark Everett (zum Glück war ich gut informiert), Tim Montgomery und Chryste Gaines. Für den Fall, daß man nicht die passende Antwort parat hat, sollte man sich schleunigst auf einen Korb einstellen. Denn diese Sportler wollen damit einfach feststellen, wer sich wirklich für sie interessiert. Das zumindest erzählte mir beim Meeting in Nürnberg bereits 800m-Läuferin Laetitia Vriesde, die ebenfalls diese Masche praktiziert. Man muß also manchmal schon ziemlich gut mit den Gesichtern der Stars vertraut sein und wie schwierig das manchmal – z.B. bei den Afrikanern – ist, dürfte allgemein bekannt sein.

Hoffen wir nur, daß diese Praxis keine Schule macht und wir weiterhin die betreffenden Athleten an einer Hand abzählen können, denn sonst gilt: ohne Name kein Autogramm!

Koffermann Markus „Big Boss“ Beuttenmüller

(die folgenden Zeilen sind einem armen, mittellosen Studenten gewidmet)

Die tollen Metallkoffer unseres gemeinsamen Sammlerfreunds Markus Beuttenmüller hatte ich bereits zu Beginn dieses Artikels angesprochen. In der Tat halte ich diese Kombination für eine der heißesten Randerscheinungen der Weltmeisterschaft in Athen. Es nötigt mir wirklich allerhöchsten Respekt ab, praktisch zwölf Tage lang zwei mit schwergewichtigem Bildmaterial gefüllte Koffer bei über 30 Grad Außentemparatur durch Athen zu schleppen und alle Augenblicke in die Stauräume der Taxis zu wuchten. Da bedarf es einer ganzen Menge Enthusiasmus!

Als er schließlich nach diesen Anstrengungen in den Athletenhotels (mehr oder minder geschafft) ankam, plazierte er seine beiden Koffer gekonnt in der Hotelhalle und offenbarte den Inhalt der Öffentlichkeit. Diese nahm nicht selten davon Kenntnis und warf einen interessierten Blick darauf. Manchmal sogar mehr. Ein Zivilpolizist im Hotel Israels durchsuchte das Material in Befürchtung eines etwaigen Attentats sehr genau. Das ging sogar soweit, daß er die Döschen der Fotofilme öffnete. Sehr angetan von dem großen Fassungsvermögen waren auch ein paar finnische Athletinnen, die wohl auf der Suche nach ein paar Souveniers von der WM die Bilder ungeniert durchwühlten. Aber nicht nur die Finnen machten sich von selbst an den Fotos zu schaffen. Nein, selbst eine Größe der Szene wie Mark Crear wurde dabei ertappt. Ein normaler Hotelgast hielt Markus für eine Art fliegender Händler und fragte ihn, ob er denn Postkarten verkaufe.

Mehrmals völlig fassungslos stand die US-Kugelstoßerin Connie Price-Smith vor den beiden silbrig glänzenden und proppenvollen Koffern. Erst als sie Markus nach seinem Beruf fragte, kam ihr die vermeintliche Erleuchtung: „He’s a student! That’s why he can do that!“