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Junioren-Weltmeisterschaft in Chile

Von der Dreiflüssestadt nach Chile

Dreispringerin Claudia Ender will Härtefall-Nominierung rechtfertigen

08.10.00 (fc) Claudia Ender wirft einen interessierten Blick auf die aktuelle Weltjahresbestenliste mit den Top-Dreispringerinnen im Jugendbereich. Ab dem 17. Oktober wird sie sich in Santiago de Chile mit diesen Konkurrentinnen beschäftigen müssen. Die 19jährige hat die Nominierung mit nur einer regulären Normerfüllung motiviert und möchte sich mit einer neuen persönlichen Bestleistung und der Finalteilnahme beim DLV für das Vertrauen bedanken. In der Vorbereitung stand noch ein Trainingslager bei ihrer Trainerin Annelie Jürgens in Fürth, die ihr auch bei den Titelkämpfen den nötigen Rückhalt geben wird, auf dem Programm, bevor die aufgeschlossene Hoffnungsträgerin der LG Passau ihre Sachen für den Trip nach Südamerika packte.

Neue Spikes sollten es richten. „Entweder mit denen oder gar nicht“, schwor sich Claudia Ender vor der Deutschen Junioren-Meisterschaft in Jena, bei der es für sie um die entscheidende zweite Normerfüllung für die Junioren-Weltmeisterschaft in Santiago de Chile ging. Es war die letzte Chance. 12,77 Meter reichten nicht ganz. „Ich habe es versucht“, tröstete sie sich in der ersten Enttäuschung selbst. Ihre Trainerin Annelie Jürgens prognostizierte ihr daraufhin bereits das Winterprogramm. Aber nur wenige Tage später durften die Pläne wieder geändert werden, da sich der DLV entschieden hatte, die Passauerin als einen von zwei Härtefällen im Sprungbereich mit zu nominieren. Viel lieber hätte sie sich zwar regulär qualifiziert und wollte einer Nominierung, bei der ein Auge zugedrückt wird, aus dem Weg gehen. „Jetzt bin ich froh. Chile wird bestimmt ein Erlebnis“, freut sie sich auf die bevorstehende Aufgabe. Was sie in Chile erwartet? „Ich lasse mich mal überraschen“, antwortet Claudia. Gerade das scheint eine ihrer Stärken zu sein – dass sie sich von den Dingen, die auf sie zukommen, nicht sonderlich beeindrucken lässt.

Etwas mehr zerbricht sich die 19jährige den Kopf darüber, was sie mit sich anfängt, wenn sie im Mai 2001 das Abitur in der Tasche hat. Es gilt den Spagat zwischen beruflicher Perspektive und dem Leistungssport zu schlagen. Auf ein Studium sollte es hinauslaufen. Vielleicht Sport und Sozialpädagogik. Vielleicht in Erlangen, wo sie in unmittelbarer Nähe ihrer Trainerin wäre. Vielleicht doch lieber in der Heimat. Aber noch bleibt ihr Zeit, über diese Entscheidung nachzudenken. Immerhin weiß sie um die Vorteile, die sie in der Universitätsstadt Passau genießt. Durch ihre Erfolge erreichte sie rasch auf regionaler Ebene einen großen Bekanntheitsgrad, was die Nominierung eines lokalen Radiosenders zum „Sportler des Jahres“ unterstreicht. Auch hofft sie darauf, mit diesem Rückenwind den ein oder anderen Unternehmer zu finden, der sie auf dem Weg zu weiteren sportlichen Topleistungen unterstützt. Ein Autohaus stellt ihr bereits für die Fahrten zu den Wettkämpfen einen Wagen zur Verfügung und übernimmt die Kosten. Claudia Ender weiß die Bemühungen in ihrem Umfeld zu schätzen. Dass Ostbayern nicht gerade zu den großen Leichtathletik-Standorten in Deutschland zählt, spielt für sie nicht die Rolle.

Roland Fleischmann, der Claudia an die Spitzenleichtathletik heranführte, eröffnete seiner talentierten Dreispringerin eines Tages, dass es für sie wohl das Beste wäre, wenn sie sich nach einem anderen Trainer umschaut, da er nicht mehr die Zeit für eine intensive Betreuung aufbringen konnte. Und Claudia Ender hatte Glück. Sie landete bei Annelie Jürgens in Franken, der Bundestrainerin von Weltmeister Charles Friedek, also in den besten Händen. Das brachte ihr im Olympiajahr auch einen Trip zum Trainingslager auf Lanzarote ein, wo sie sich plötzlich mit den Weitspringerinnen Heike Drechsler und Sofia Schulte am gemeinsamen Osterfeuer wiederfand. Nur ein- bis zweimal im Monat kann sie aufgrund der Entfernung mit ihrer Trainerin arbeiten. Die restliche Zeit verbringt Claudia überwiegend in Eigenregie auf der Bahn des schönen Passauer Stadions, was wiederum ihre ausgeprägte Selbständigkeit beweist. „Als Ausgleich zur Schule ist der Sport Spaß, in den Ferien ist es umgekehrt, da ist das Training mehr Arbeit“, beurteilt Claudia ihr eigenes Programm, mit dem sie Privatleben und Sport unter einen Hut bekommt. „Ich glaube, dass ich mich noch erheblich steigern kann.“ Vor allem an der Technik müsse sie noch arbeiten, gesteht sie. „Momentan versuche ich nur, so schnell wie möglich anzulaufen, und dann die Knie hoch zu kriegen“, beschreibt sie ihre derzeitige Dreisprung-Taktik mit ihrem sympathischen Lachen. 

Wenn man bedenkt, dass sie erst vor rund einem Jahr mit dem Dreisprung richtig begonnen hat, sind noch deutliche Perspektiven bei der Gymnasiastin zu erkennen. Vorher musste sie wegen Rückenproblemen ihre Mehrkampf-Ambitionen nach nur einem Jahr an den Nagel hängen. „Ich habe fast alle Disziplinen bestritten.“ Auch schon mal Dreisprung: „Damals fand ich das eher langweilig.“ Aber mit den ersten Erfolgen auf Landesebene machte es beim zweiten Anlauf viel mehr Spaß, stellte die bayerische Rekordhalterin fest. Mit den Jugendtiteln in der Halle (12,81m) und im Freien (12,96m mit zuviel Rückenwind) wies sie in diesem Jahr auch die nationale Konkurrenz ihrer Altersklasse in die Schranken. „Es ist schön, wenn Konkurrenz da ist“, schätzt Claudia die Herausforderung. 13,20 Meter hält sie bei der Junioren-WM in Chile für möglich. Das Ziel bei ihrem zweiten Einsatz im Nationaltrikot hat sie mit der Endkampf-Teilnahme klar definiert. „Das ist für mich die Möglichkeit, noch mal anzugreifen“, zeigt sie sich motiviert. Auch, was sie im nächsten Jahr erreichen will, hat sie sich schon überlegt: „Ich hoffe, dass ich bei den Frauen mitspringen kann“, liegt der Fokus auf dem Endkampf bei den Deutschen Meisterschaften, den sie in diesem Jahr als jüngste Dreispringerin mit Rang elf verpasste, und der Qualifikation für die U23-Europameisterschaft in Amsterdam. Europameisterschaft 2002 in München? Soweit denkt Claudia Ender noch nicht. „Aber da hätte ich ja nicht weit“, flachst sie. Im vergangenen Jahr konnte sie als Zuschauerin beim Grand-Prix-Finale schon einmal erleben, wie es sein könnte, im Olympiastadion zu springen. „Ich denke von Jahr zu Jahr“, ist dieses Event in ihrer Planung noch kein ernsthaftes Thema.

Etwas frischer Wind würde aber gerade dem Frauen-Dreisprung, der in Deutschland alles andere als im Mittelpunkt steht, gut tun. „Es kommt schon was nach“, setzt Claudia Ender auf sich und ihre jungen Mitstreiterinnen. Eine Bereicherung wäre die großgewachsene Athletin mit ihrer aufgeschlossenen, unkomplizierten Art für die nationale Spitze in der Aktivenklasse in jedem Fall.  

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