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Großes Interview mit Donovan Bailey

Cool Runnings

Star zum Anfassen: Donovan Bailey in Ingolstadt

30.05.01 (up) Der Olympiasieger von 1996 und ehemalige Weltrekordhalter über 100 Meter war der Star beim Leichtathletik-Meeting in Ingolstadt am Sonntag, den 27. Mai. Er startete in Europa in die Freiluftsaison, bei dem von Hans-Peter Ferner auf die Beine gestellten, sehr familiären Meeting. Es lässt die Zuschauer hautnah an die Athleten ran und dies genoss nicht nur der 100-Meter-Sieger (10,20 sec) aus Kanada. Auf seiner Ehrenrunde wurde er von jungen Fans begleitet, die ihn zusammen mit den Zuschauern feierten und nicht von Donovan abließen, bis auch das letzte Autogramm geschrieben war. Der Star, der zum ersten Mal in Ingolstadt auftrat, war sichtlich gut gelaunt, entspannt, für alle Photos und Späße zu haben und sehr glücklich über den großen Zuspruch. Zur Freude von steeple.de beantwortete er anschließend auch alle, teilweise sehr persönlichen, Fragen.

Steeple:
Zufrieden mit dem heutigen Tag?

Donovan Bailey:
Ja, ich will gesund bleiben. Die anderen Athleten – Jason Gardener (GBR), David Patros (FRA) und Donovan Housen (JAM) sind alle ein gutes Rennen gelaufen. Das war ein sehr guter Wettkampf heute, aber es ist ja auch noch sehr früh in der Saison. Daher geht es mir und den anderen jetzt erst einmal darum, sich wieder an die Wettkämpfe zu gewöhnen, ein paar Meetings zusammenzustellen.

Steeple:
Es gibt Gerüchte, dass 2001 deine letzte Saison  sein wird?

Donovan Bailey:
Das sind keine Gerüchte.

Steeple:
Wenn man dir aber nun zuschaut, wie du läufst und das ganze Danach genießt, merkt man, dass du viel Spaß dabei hast. Dann kann das doch nicht deine letzte Saison sein…

Donovan Bailey:
Doch, das ist sie sehr wohl. Ich laufe nun schon sehr lange, habe immer viel Vergnügen dabei gehabt und alle Titel gewonnen, die es in der Leichtathletik gibt. Daher ist dies sicherlich meine letzte Freiluft-Saison.

Steeple:
Bist du wirklich sicher?

Donovan Bailey:
Absolut. Nun, wenn ich dieses Jahr 9,75 Sekunden renne, dann ändere ich vielleicht meine Meinung.

Steeple:
Wie schaut es mit den Weltmeisterschaften aus?

Donovan Bailey:
Das habe ich noch nicht endgültig entschieden.

Steeple:
Wie findest du es, in Ingolstadt zu laufen? Man ist ja sehr nah an den Zuschauern dran. Ist dir da zu nah? 

Donovan Bailey:
Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe gerade die kleinen Meetings, die kleinen Wettkämpfe immer sehr genossen. Da hat man Kontakt zum Publikum, man hat das Gefühl, dass sie dich anfassen können. Und das ist sehr gut, denn das gibt mir sehr viel Energie.

Steeple:
Ist das hier dein erstes Rennen im Freien?

Donovan Bailey:
In Europa schon. Ich bin vorher schon einmal in den USA gelaufen, bei einem Meeting in Texas, beim „University of Texas Invitational“.

Steeple:
Du trainierst auch in Texas, nicht wahr?

Donovan Bailey:
Ja. Mit Dan Pfaff.

Steeple:
Wieso hast du gerade Ingolstadt für deine Europa-Premiere gewählt? Oder hat Alain [Blondel, Manager von Donovan] das für dich ausgesucht?

Donovan Bailey:
Nee, das suche ich schon selber raus. Niemand entscheidet das für mich.

Steeple:
Was für Kriterien hast du?

Donovan Bailey:
Es ist ein kleines Meeting, heute ist mein erster Wettkampf im Freien in Europa und ich war noch nie hier. Ich habe Robert [Wagner, Meeting Manager von Ingolstadt und Linz], jedes Jahr versprochen, dass ich mal bei einem seiner Meetings laufen würde und bin dann nie da gewesen.

Steeple:
Aber du bist doch öfters in Linz gelaufen?

Donovan Bailey:
Ja, in Linz schon, da war ich zweimal, nein sogar dreimal. Robert hat mich immer gefragt, aber ich bin nie in Ingolstadt angetreten.

Steeple:
In Linz treten doch auch die Manager der Athleten über 100 Meter gegeneinander an.

Donovan Bailey:
Ja, das ist sehr lustig, vor allem für uns Athleten. Wir lachen uns immer total kaputt, wenn wir die Jungs laufen sehen mit ihren eigenwilligen Techniken und Laufstilen.

Steeple:
Wo wirst du als Nächstes laufen?

Donovan Bailey:
Als Nächstes steht Ostrava in der Tschechei an und sonst…

Steeple:
Bei den anderen sind die Verhandlungen wohl noch nicht abgeschlossen?

Donovan Bailey:
Ja, genau. Ich würde gerne in Nürnberg laufen, weil ich dort schon viele Male gewonnen habe. Und ich hatte auch den Meetingrekord von Live-Meeting [in Nürnberg], bis Bruny [Surin, Donovans Staffelkamerad aus Kanada] ihn letztes Jahr gebrochen hat. Ja, Nürnberg würde mir passen. Auf jeden Fall werde ich ihn Deutschland sein – ich bin hier zum ersten Mal vor acht Jahren gelaufen. Und ich würde gerne wieder bei einigen der kleinen Meetings laufen, bei denen alles angefangen hat. Und natürlich auch bei ein paar großen.

Steeple:
Um Abschied zu nehmen?

Donovan Bailey:
Mhm. (nickt).

Steeple:
Wo hast du denn deine Zelte aufgeschlagen, wenn du in Europa bist?

Donovan Bailey:
Ich bin in Karlsruhe, bei Heike [Drechsler] und Alain [Blondel].

Steeple:
Und wie gefällt es dir bei den Badensern, nicht weit weg von Frankreich? Es gibt dort guten Wein.

Donovan Bailey:
Ja, darum bin ich dort. Ich trinke sehr gerne den ausgezeichneten Wein aus der Gegend. Es ist schön in Karlsruhe. Heike und ich trainieren zusammen.

Steeple:
Du bist in Jamaika geboren, deine Eltern sind Jamaikaner. Wie sehr bist du denn noch Jamaikaner?

Donovan Bailey:
Ich bin total jamaikanisch. Ich werde immer Jamaikaner bleiben.

Steeple:
Sprichst du noch Patois [jamaikanischer Dialekt]?

Donovan Bailey:
Ich spreche sehr gut Patois.

Steeple:
Bekommen wir eine Kostprobe?

Donovan Bailey:
Nee, das ist doch was sehr Privates.

Steeple:
Mee ah beg yah…

Donovan Bailey:
Aha, da kennt sich aber jemand aus! Du warst wohl schon öfter in Jamaika.

Steeple:
Ja, in deinem Heimatland kann man wunderbar Urlaub machen. Ich habe übrigens in der „Leichtathletik“ gelesen, dass du mal im „Hedonism“ [Hotel in Negril, Jamaika] über Weihnachten einige Tage verbracht hast.

Donovan Bailey:
Mein Gott, haben die echt darüber geschrieben?

Steeple:
Wenn du in Jamaika bist, hältst du dich dann nur in Hotels auf?

Donovan Bailey:
Nein, wenn ich hinfliege, dann besuche ich alle und verbringe meine Zeit mit meinen Freunden und Verwandten auf der ganzen Insel.

Steeple:
Ja, was ist denn nun so typisch jamaikanisch an dir?

Donovan Bailey:
Alles, mein Benehmen, die Musik, die ich höre, das Essen.

Steeple:
Kochst du selbst jamaikanisches Essen?

Donovan Bailey:
Ich habe einen ausgezeichneten Koch. Oder wenn´s sein muss, dann greife ich auch selbst zum Kochlöffel.

Steeple:
Was sind dieses Jahr denn deine Ziele?

Donovan Bailey:
Gesund bleiben, relaxen und Spaß haben.

Steeple:
Und wenn dabei 9,75 Sekunden rauskommen, ist das auch in Ordnung…

Donovan Bailey:
Wenn ich so entspannt weitermache wie heute, warum nicht?

Steeple:
Wie ist das für dich, dass die Weltmeisterschaften in deiner Heimat Kanada stattfinden? Bist du da irgendwie involviert? Als Botschafter, in einer Kampagne?

Donovan Bailey:
Ist leider nicht so spannend für mich. Die Veranstalter haben weder mich noch kanadische oder ausländische Leichtathleten miteinbezogen.

Steeple:
Schade eigentlich, denn es sollen ja möglichst viele Kanadier das Stadion füllen.

Donovan Bailey:
Ja, verstehen die aber irgendwie nicht. Die nutzen nicht die Bekanntheit der Sportler. Sie machen sehr wenig Promotion, und dabei haben sie mit mir doch einen der berühmtesten Leichtathleten der Welt. Das ist sehr dumm. Ich weiß auch nicht. Das wäre ziemlich peinlich für uns Kanadier, Gastgeber einer schlechten Weltmeisterschaft zu sein, mit leeren Rängen im Stadion. Die haben immer noch nicht verstanden, wie Leichtathletik funktioniert.

Steeple:
Deine kanadische Familie und Freunde sind doch sicherlich sehr froh, dass sie dich bei den Weltmeisterschaften auch mal live sehen können und nicht immer nur im Fernsehen?

Donovan Bailey:
Ja, in Kanada vor heimischem Publikum zu laufen, ist für mich das Größte.

Steeple:
Was würdest du in deinem Leben eigentlich machen, wenn du nicht so viel Talent hättest?

Donovan Bailey:
Dann wäre ich Broker an der Börse geworden. Das habe ich übrigens bereits gemacht, bevor ich Leichtathletikprofi wurde.

Steeple:
Und, wie stehen deine Aktien?

Donovan Bailey:
In den letzten Monaten hatte ich einige Einbrüche. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung.

Steeple:
Verfolgst du wirklich täglich die ganzen Ticker, Kurse usw.?

Donovan Bailey:
Ja, sehr intensiv sogar.

Steeple:
Vielen Dank für das Gespräch.

Donovan Bailey:
You´re welcome.