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Die Stabhochsprung-Geschichte in Deutschland ist eng mit dem Namen Andrej Tiwontschik verbunden. 1993 war er der Einladung des LAZ Zweibrücken gefolgt und nach Deutschland gewechselt. Nach seiner Einbürgerung wurde er Mitte der neunziger Jahre unter Wladimir Ryshich zum besten Stabakrobaten in Deutschland und gewann 1996 in Atlanta die Bronzemedaille. Knieprobleme zwingen den gebürtigen Russen nun, mit der Sportart, die ihm immer noch so viel Spaß macht, aufzuhören. Er wird aber seinem Sport weiter eng verbunden bleiben und vielleicht schon bald dem Leverkusener Erfolgstrainer Leszek Klima nacheifern.

Steeple: 
Herr Tiwontschik, Sie haben für Außenstehende doch ziemlich überraschend Ihr Karriereende bekannt gegeben. Waren die Knieprobleme nicht mehr in den Griff zu bekommen?

Andrej Tiwontschik:
Ja, es war eigentlich keine Überraschung. Die Saison 1999 ist für mich noch recht gut verlaufen. 2000 habe ich dann Schmerzen verspürt, aber ich wollte weiter hart trainieren, denn das war das Olympiajahr. Im Sommer 2000 habe ich dann gemerkt, es geht nicht mehr. Auf Anraten meines Arztes habe ich die Saison abgebrochen und eine längere Pause eingelegt, um meine Gelenke zu regenerieren. Danach habe ich wieder begonnen, aber man denkt immer,  jetzt kommen die Schmerzen wieder und trainiert nicht mehr ganz so intensiv und ganz so hart. Im Winter bin ich trotzdem 5,72 Meter gesprungen und ich habe mir gesagt: okay, im Sommer springe ich normalerweise noch etwas höher, vielleicht 5,80 Meter. Im Frühling habe ich also wieder versucht, intensiver zu trainieren, trotz der Schmerzen, aber jetzt geht es nicht mehr – meine Kniegelenke halten die Belastung des Hochleistungssports nicht mehr aus.

Steeple: 
Sind die Schmerzen zwischen den Trainingeinheiten nicht schnell genug abgeklungen, waren die Regenerationsphasen zu kurz?

Andrej Tiwontschik:
Ich konnte gewisse Trainingseinheiten machen, andere wiederum nicht. Die Regenerationsphasen sind immer länger geworden und schließlich konnte ich nicht mehr wie vorher zweimal am Tag trainieren. Meine Leistung lag zwischen 5,50  und 5,70 Meter und das reicht mir nicht. Ich habe dann beschlossen, meine professionelle Sportkarriere zu beenden und werde nur noch zum Spaß mitspringen.

Steeple: 
Was verstehen Sie genau darunter, nur aus Spaß mitzuspringen?

Andrej Tiwontschik:
Ich könnte mir vorstellen, bei Marktplatzspringen mitzumachen und möchte ganz gerne eine Traininggruppe aufbauen. Da ist es dann immer gut, wenn der Trainer noch mitspringen kann. Leszek Klima hat im Prinzip genauso angefangen und ist noch selbst gesprungen.

Steeple: 
Wollen Sie die Trainingsgruppe in Mainz aufbauen?

Andrej Tiwontschik:
Ja, nach der Saison möchte ich mit Herrn Bergmann reden und klären, welche Möglichkeiten in Mainz bestehen. In Zweibrücken, wo ich lebe, gibt es schon einen angestellten Trainer. Ich habe sehr viel Spaß in dem Sport gehabt und es ist immer schwer, aufzuhören. Es macht mir heute noch mehr Spaß wie früher, aber leider geht es nicht mehr. Ich möchte schon gerne beim Stabhochspringen dabei bleiben, vielleicht habe ich ja als Trainer dazu die Gelegenheit.

Steeple: 
Wie sehen Sie rückblickend Ihre Karriere, sind Sie zufrieden mit dem Erreichten oder wäre bei einigen Wettkämpfen noch mehr drin gewesen, etwa in Atlanta, wo Sie am Ende die Bronzemedaille gewannen?

Andrej Tiwontschik:
Atlanta ist schon ziemlich optimal verlaufen. Es ist niemand höher gesprungen als 5,92 Meter und ich habe nur aufgrund von mehr Fehlversuchen eine bessere Platzierung verpasst. Ärgerlich war es 1999 bei den Deutschen Meisterschaften. Da bin ich mit 5,80 Metern nur Vierter geworden und durfte nicht mit zur Weltmeisterschaft, obwohl ich ziemlich fit war – aber die anderen Jungs waren halt noch besser.

Steeple: 
Würden Sie sagen, Sie haben eine Vorreiterrolle für den Stabhochsprung-Boom in Deutschland gespielt?

Andrej Tiwontschik:
Ja, vielleicht schon, ich war ein neuer Konkurrent in der deutschen Stabhochsprung-Szene und die Jungs wollten mich schlagen. Das ist dann auch passiert und der Stabhochsprung hat sich sehr gut entwickelt. Für den fünften Platz bei den Deutschen Meisterschaften waren 5,80 Meter nötig, das gibt es nirgendwo auf der Welt. Die vierten Plätze von Michael Stolle bei den Olympischen Spielen und bei der Weltmeisterschaft waren einfach nur Pech – das ist Sport, er hat einfach mehr Versuche gebraucht.

Steeple: 
Weshalb sind Sie damals nach Deutschland gekommen und dann auch hier geblieben?

Andrej Tiwontschik:
Ich habe damals eine Einladung vom LAZ Zweibrücken für ein Meeting bekommen und man hat mich gefragt, ob ich Zeit hätte, für den Verein zu starten. Ich habe okay gesagt, hier sind optimale Bedingungen, hier kann ich mich vorbereiten und bin dann im März gekommen, um mich für die Sommersaison vorzubereiten. Ja, dann hat es mir hier gefallen und ich bin geblieben und mittlerweile mit einer gebürtigen Zweibrückenerin verheiratet.

Steeple: 
Was gefällt Ihnen an Deutschland?

Andrej Tiwontschik:
Ich weiß nicht, es gefällt mir einfach hier. Vielleicht ist das der optimale Platz mich. Jeder Mensch sucht den optimalen Platz für sich und ich habe meinen gefunden und bin sehr zufrieden damit.

Steeple: 
Welchen Wunsch haben Sie noch zum Abschluss?

Andrej Tiwontschik:
Ich schaue nach vorne zu den Europameisterschaften im nächsten Jahr und wünsche mir, dass die Jungs da die ersten drei Plätze belegen werden.

Steeple: 
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Tiwontschik.