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Mehrkampf-Meeting in Götzis

Tomas Dvorak ist Zehnkampf-König

Braun wendet Wachablösung durch Ertl ab – Busemann Sechster

02./03./04.06.00 (fc) Aus deutscher Sicht sorgte das Duell zwischen Sabine Braun und Hallen-Europameisterin Karin Ertl vor dem abschließenden 800-Meter-Lauf im Möslestadion von Götzis für reichlich Brisanz. Die Altmeisterin konnte diesen Angriff erfolgreich abwenden und Ertl meinte im Anschluss an den Wettkampf: „Hoffentlich ist Sabine noch ganz lange dabei.“ Der Sieg ging wie erwartet an Weltmeisterin Eunice Barber (6842 Punkte) vor der starken Russin Natalja Roshchupkina. Das deutsche Siebenkampf-Team stellte mit insgesamt vier Bestleistungen unter Beweis, dass man sich auch nach der Ära Braun keine Zukunftssorgen machen muss. Auch bei den Männern gab es ein gutes Teamergebnis durch Frank Busemann, Mike Maczey und Stefan Schmid auf den Plätzen sechs bis acht. Damit hat sich in Götzis auch schon das Trio für Olympia herauskristallisiert. Der Sieg ging mit 8900 Punkten an Weltmeister Tomas Dvorak vor Roman Sebrle und Erki Nool.

Vortag:

Tomas Dvorak, Weltmeister und Weltrekordhalter, hielt die 9.000 Punkte in Götzis für möglich. „Ich werde es versuchen“, meinte der sympathische Tscheche bei der Athletenpräsentation in Götzis am Freitag im Hinblick auf einen neuen Weltrekord. Die deutschen Top-Athleten Sabine Braun, Karin Ertl und Frank Busemann zeigten sich froh gelaunt und blickten optimistisch den Wettkämpfen unter erwartet guten Bedingungen entgegen. Bei den Frauen strahlte die Französin Eunice Barber große Selbstsicherheit aus.

1. Tag:

Chris Huffins (USA) sorgte beim ersten Bewerb des Zehnkampfs, den 100 Metern, mit einem neuen Meeting-Rekord von 10,38 Sekunden gleich für ein erstes Highlight. Dahinter lief Weltmeister Tomas Dvorak (TCH) mit 10,54 Sekunden exakt die Zeit, die er auch beim Weltrekord im vergangenen Jahr fixiert hatte. Frank Busemann gewann seinen Vorlauf in 10,76 Sekunden und reihte sich im Gesamtklassement zu Beginn des Tages auf dem achten Rang ein. Mit Nachdruck auf sich aufmerksam machte der junge Ungar Attila Zsivotzky, der mit 10,64 Sekunden seine alte Bestzeit pulverisierte. Mike Maczey erwischte mit 10,99 Sekunden ebenfalls einen guten Start.

Bei den Frauen diktierte Eunice Barber mit 12,97 Sekunden die 100 Meter Hürden. Dahinter rangierten gleich die Deutschen Karin Ertl (D) und Peggy Beer (D), die Zeiten von 13,31 bzw. 13,32 Sekunden auf die Bahn legten. Astrid Retzke lief mit 13,50 Sekunden eine neue Bestzeit. Die junge Sonja Kesselschläger stellte in 13,87 Sekunden eine neue Mehrkampf-Bestleistung auf und zeigte sich nach dem Rennen zufrieden.

Im Weitsprung der Männer unterstrich Tomas Dvorak mit der neuen Bestweite von 8,03 Metern seine tolle Form. Auf den zweiten Rang in dieser Wertung katapultierte sich der Ukrainer Alexandr Yurkov (7,93 m) vor dem Deutschen Frank Busemann (7,92 m) und dem ebenfalls starken Roman Sebrle (7,88 m). Aus dem restlichen deutschen Zehnkampf-Team überzeugten Mike Maczey (7,59 m) und David Mewes (7,46 m).

Sonja Kesselschläger war beim Hochsprung der Frauen mit 1,85 Metern (neue Bestleistung) als Dritte die beste Deutsche, gefolgt von ihrer Neubrandenburger Kollegin Kathleen Gutjahr (1,82 m). Sabine Braun und Karin Ertl landeten höhengleich auf dem fünften Rang, blieben leicht unter ihren Möglichkeiten, komplettierten aber das gute Ergebnis der deutschen Mannschaft. Den Sieg machten Weltmeisterin Eunice Barber und Natalja Roshchupkina (RUS) unter sich aus, wobei die Russin mit 1,91 Metern die größte Höhe meisterte.

Beim Kugelstoßen der Männer gehörte die Show wieder Tomas Dvorak. Der Tscheche erzielte im dritten Versuch eine Weite von 16,68 Metern. Von den Deutschen glänzte David Mewes mit 15,64 Metern, während der Rest der deutschen Starter im Rahmen ihrer Möglichkeiten blieb. So gesehen waren auch die 14,50 Meter von Frank Busemann keine Enttäuschung, da er nicht gerade als der beste Kugelstoßer gilt. Bemerkenswert im Gesamtklassement ist der Ukrainer Alexandr Yurkov, der nach drei Disziplinen hinter Dvorak und Huffins auf dem dritten Rang lag, vor Roman Sebrle und Frank Busemann. 

In der Frauenkonkurrenz bestimmte Irina Vostrikova das Geschehen mit 15,64 Metern. Hallen-Europameisterin Karin Ertl stieß die Kugel auf 14,17 Meter, was für sie zugleich neue Bestleistung bedeutete. Noch besser war Sabine Braun mit 14,49 Metern, die hinter Natalja Sazanovich Dritte wurde. 

Der Männer-Hochsprung stand im Zeichen von Weltrekordler Dvorak
Zunächst zitterte sich Frank Busemann über 2,03 Meter im zweiten Anlauf, Tomas Dvorak folgte ihm. Mike Mazcey hatte bei 2,03 Metern ebenfalls Grund zum Jubeln und legte bei 2,06 Metern sogar noch drei Zentimeter drauf. Beim ersten und zweiten Versuch über 2,06 Meter scheiterte Dvorak knapp, beim dritten Sprung überquerte er unter lautstarker Unterstützung des fachkundigen Götzner Publikums die Latte und überbot damit die Hochsprung-Leistung seines Weltrekords. Frank Busemann hingegen hatte nichts mehr zuzusetzen und stieg bei dieser Höhe nach drei Fehlversuchen aus. Für Dvorak ging es gemeinsam mit den guten Hochspringern um Zsivotzky und Huffins auf 2,09 Meter. Wieder hauchdünn streifte er die Latte im ersten, etwas deutlicher fiel sie im zweiten. Sein Landsmann Roman Sebrle und Attila Zsivotzky (UNG) legten ihm vor, während Chris Huffins Nerven zeigte und letztendlich nur 2,03 Meter in die Ergebnisliste eintragen konnte. Dann kam der große Auftritt von Tomas Dvorak – 2,09 Meter!!! Das genügte ihm und er wollte die Kräfte für die den ersten Zehnkampf-Tag abschließenden 400 Meter sparen. Den Sieg machten Roman Sebrle, der ebenfalls einen starken Hochsprung ablieferte, und Attila Zsivotzky, der mit 2,18 Metern die größte Höhe anbot, unter sich aus. Klaus Isekenmeier gab nach dem Hochsprung wegen Kniebeschwerden auf.

Den Frauen war die Anstrengung des Tages anzusehen, als sie sich auf die 200 Meter begaben. Hier konnte sich Eunice Barber hinter der Südafrikanerin Fouche dem Angriff von Natalja Roshchupkina nicht erwehren und musste sich so mit dem dritten Rang in ihrem Lauf und dem zweiten Rang in der Zwischenwertung hinter der frechen Russin begnügen. Die deutschen Mehrkämpferinnen präsentierten sich insgesamt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Astrid Retzke stellte mit 24,32 Sekunden eine neue Bestzeit auf.

Mike Maczey und David Mewes bissen auf den abschließenden 400 Metern noch mal auf die Zähne und liefen mit 49,83 bzw. 50,39 Sekunden durchschnittliche Zeiten. Stefan Schmid stellte sich dem Duell mit Chris Huffins in seinem Lauf und erreichte als Zweiter in 49,03 Sekunden das Ziel. Tomas Dvorak übernahm im Aufeinandertreffen mit Frank Busemann nach der halben Stadionrunde die Führung, musste sich jedoch auf der Zielgeradem in 48,36 Sekunden dem Ungarn Attila Zsivotzky (48,13 sec) geschlagen geben. Frank Busemann lief 48,87 Sekunden, was im Mittel seines Leistungsvermögens liegt. Erki Nool dominierte das Rennen der besten Läufer über die Stadionrunde in 47,18 Sekunden.

2. Tag:

Eine Frage beschäftigte die Zuschauer in Götzis ganz besonders: wird Tomas Dvorak die 9.000-Punkte-Marke knacken und einen neuen Weltrekord aufstellen? Franz-Josef Busemann gab für seinen Sohn Frank als Ziel einen Wert von rund 8.500 Punkten aus, was über der ursprünglichen ausgegebenen Marke (8.400) liegen würde. Eines wurde dadurch allerdings deutlich: man möchte sich im Hause Busemann keinen eigenen Druck aufbauen, einen soliden Zehnkampf abliefern und Götzis einfach nur als Standortbestimmung auf dem Weg zu den Olympischen Spielen mitnehmen.

Busemanns Paradedisziplin 110 Meter Hürden bildete unter den vorarlbergerischen Sonnenstrahlen sogleich auch den Auftakt des zweiten Tages. Nach zwei Fehlstarts ging es für die Elite auf die Strecke. Busemann setzte sich neben Tomas Dvorak an die Spitze, kam dann aber an der achten Hürde aus dem Rhythmus, konnte gerade noch einen Sturz vermeiden und rettete sich in 14,72 Sekunden ins Ziel. Dvorak gewann den Lauf in 13,89 Sekunden. Als Dritter lieferte Mike Maczey in 14,16 Sekunden einen sehr guten Hürdensprint ab.

Frank Busemann steckte das Missgeschick aus dem Hürdensprint mit einer Weite von 43,66 Metern im Diskus verhältnismäßig gut weg, war aber dennoch nicht zufrieden. Ehrgeizig ging auch der frühere Götzis-Sieger Erki Nool in die ersten beiden Wettkämpfe und zeigte zur Freude seines zahlreich angereisten Anhangs mit 14,37 Sekunden und 44,16 Metern, dass er sich vom achten Platz des ersten Tages deutlich nach vorne schieben will! Tomas Dvorak belegte hinter Chris Huffins (49,38 m) den zweiten Rang mit einer Weite von 47,89 Metern, was knapp unter dem Vergleichswert des aktuellen Weltrekords lag.  

Karin Ertl startete gut in den Sonntag. Mit einer neuen Weitsprung-Bestleistung von 6,32 Metern verbesserte sie sich auf den zweiten Rang in der Zwischenwertung hinter Eunice Barber, die erwartungsgemäß den Weitsprung mit 6,85 Metern dominierte. Pech hatte Peggy Beer mit drei Fehlversuchen. Sabine Braun kam auf 6,32 Meter.

Im Stabhochsprung-Wettbewerb stand den Busemann-Fans kurzzeitig der Atem still, als er bei einer Höhe von 4,55 Metern fast rechts neben der Matte landete und sich leicht verletzte. Der Leverkusener Philip Ibe scheiterte dreimal an seiner Anfangshöhe von 4,45 Metern. Der Dritte Chris Huffins stieg nach 4,65 Metern aus. Tomas Dvorak biss sich an 4,95 Metern die Zähne aus und verließ mit 4,85 Metern die Stabhochsprunganlage. Mike Maczey und Stefan Schmid überquerten die 5,05 Meter und lieferten einen tollen Wettkampf. Frank Busemann meisterte die Höhe im dritten Versuch und hatte damit nach dem unzufriedenstellenden Vormittag wieder Grund zu Freude. Mike Maczey glänzte mit einem tollen Sprung über 5,15 Meter und nahm damit Kurs auf 8.500 Punkte. Busemann scheiterte dreimal an dieser Höhe, während Schmid ganz verzichtete. Erki Nool, bekannt starker Stabakrobat, wurde am Ende wieder zum Alleinunterhalter. Sein hauchdünner dritter Versuch über 5,35 Meter sorgte für Raunen auf den Rängen. Mit 5,55 Metern stellte er einen neuen Stadionrekord auf und lag nun knapp hinter dem Zweiten Roman Sebrle.

Peggy Beer und Mona Steigauf traten zum Speerwerfen nicht mehr an. Dieser Wettkampf stand ganz im Zeichen von Eunice Barber (51,91 m), Sabine Braun (51,66 m), Sheila Burell (50,31 m) und Astrid Retzke (49,93 m), die eine neue Bestleistung aufstellte. Karin Ertl bot mit 44,02 Metern eine für ihre Verhältnisse gute Leistung an. In der Gesamtwertung wurde die Hallen-Europameisterin nun von ihrer Kollegin Sabine Braun auf den dritten Platz verdrängt.

Karin Ertl: „In Ratingen haue ich dann richtig drauf“
Vor dem abschließenden 800-Meter-Lauf hatte somit vor allem das Duell Ertl gegen Braun Brisanz. So heftete sich die Altmeisterin sofort an die Fersen der bayerischen Vorzeigemehrkämpferin und konnte erfolgreich die Wachablösung vereiteln. Die starke Russin Natalya Roshchupkina verdrängte die beiden Deutschen allerdings noch mit einem couragierten Lauf in 2:09,36 Minuten auf die Plätze drei und fünf. Den Sieg von Eunice Barber (6842 Punkte) konnte sie jedoch nicht gefährden. Die deutschen Mehrkämpferinnen hinter Sabine Braun glänzten allesamt mit neuen Bestleistungen. Auch die junge Sonja Kesselschläger stand dem in nichts nach und rundete dieses tolle Teamergebnis mit ihrem ersten Siebenkampf über 6.000 Punkte ab. Das Team um Sabine Braun war positiv überrascht von ihren 2:18,23 Minuten: „Wir hatten eigentlich eine 2:20 ausgegeben.“ Karin Ertl hingegen haderte etwas mit den vier Punkten, die sie noch von den 6.400 trennten, kündigte eine neue Bestleistung aber bereits für die Olympia-Qualifikation in Ratingen an: „Da haue ich dann richtig drauf!“

Aus dem vorletzten Wettbewerb des Zehnkampfs ging der Deutsche Stefan Schmid mit 69,16 Metern als Sieger hervor und unterstrich somit seine Rolle als bester Speerwerfer im deutschen Team. Dvorak musste sich mit „nur“ 67,21 Metern begnügen und war damit von seinem Weltrekord-Kurs abgekommen. Frank Busemann lieferte mit 62,78 Metern keinen überragenden, aber soliden Wettkampf ab. Bedenkt man, dass Franz-Josef Busemann im Vorfeld speziell hinter den Speer ein Fragezeichen stellte, sollte man diesen Wert nicht unterbewerten. Vor dem 1500-Meter-Finale präsentierte sich somit das deutsche Top-Trio Busemann, Maczey und Schmid geschlossen auf den Plätzen sechs bis acht im Zwischenklassement.

Unter dieser Prämisse stand dann logischerweise auch der letzte Bewerb. Mike Maczey positionierte sich sofort hinter Busemann. Nach zweieinhalb Minuten setzte sich das Duo gemeinsam mit dem jungen Ungar Zsivotzky ab. Vor der letzten Runde attackierte Busemann, aber Zsivotzky konterte, um dann von dem Deutschen auf der Zielgerade die Gegenattacke präsentiert zu bekommen. Am Ende siegte in diesem spannenden Lauf der Mann aus Ungarn eine Zehntel Sekunde vor dem Deutschen, der in 4:23:13 Minuten eine hervorragende Zeit auf die Bahn legte. Dahinter folgten Mike Maczey und Stefan Schmid, die den deutschen Teamerfolg komplettierten und ebenso wie David Mewes neue Bestmarken im Zehnkampf aufstellten. Tomas Dvorak lief eine 4:42,33, was ihm den Sieg in Götzis vor seinem Freund Roman Sebrle und Erki Nool in glatten 8900 Punkten einbrachte.

Unmittelbar nach dem Lauf meinte der Weltmeister: „Dieser Meetingrekord hier in Götzis war sehr wichtig für mich. Es war nicht nur Stadionrekord, sondern auch der zweitbeste Zehnkampf meiner Laufbahn. Ich hatte Probleme mit meinem Knie und das verhinderte einen neuen Weltrekord.“ Stefan Schmid, drittbester Deutscher mit guten Sydney-Ambitionen war ebenfalls rundum zufrieden: „Dieser Auftakt lässt einiges erwarten. Entsprechend ist auch das Selbstvertrauen für die nächsten Wettkämpfe.“

Vater Busemann: „Der zweite Tag war die Hölle“
Franz-Josef Busemann meinte zum zweiten Tag: „Das war die Hölle.“ Mit den 8.531 Punkten war er aber zufrieden: „Das ist ein gutes Ergebnis.“ Unter Berücksichtigung des Lapsus vom Hürdensprint kann Frank Busemann ohne Sorgenfalten den nächsten Aufgaben entgegenblicken. Zunächst steht für ihn allerdings eine Woche Regeneration auf dem Programm. Nach dem Stabhochsprung hatten die Busemanns bereits beschlossen, die 8.500 Punkte zu attackieren. Der Lauf am Ende zeigte, dass das deutsche Zehnkampf-As auf seine eigene Stärke vertrauen kann und sich auch von Blessuren wie der aus dem Stabhochsprungbewerb davongetragenen Nackenmuskelzerrung nicht irritieren lässt. Götzis war für Frank Busemann kein optimaler Wettkampf, auch äußere Störungen behinderten ihn zum Beispiel beim Diskus, aber die Bestätigung, dass er zur absoluten Weltspitze zählt und in Sydney mehr drin ist als Platz sechs. 

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