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Interview mit Boris Henry

„Man sollte die Erwartungshaltung zurückschrauben“

Steeple:
Ein Thema war auch das mäßige Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der Hallen-WM in Lissabon. Wie schätzen Sie die derzeitigen Leistungen in der deutschen Spitze ein?

Boris Henry:
Die Erwartungen sind immer sehr, sehr hoch. Es wird daran gemessen, was in den Jahren davor war. Die anderen Länder schlafen aber auch nicht. Das hat man auch in Sydney gesehen, als Nils Schumann und Heike Drechsler eine Goldmedaille gemacht haben. Die anderen Nationen entwickeln sich weiter. Ich denke, dass wir in den letzten Jahren noch von der früheren DDR und deren Ausbildung profitiert haben. Ich habe schon vor drei Jahren gesagt, dass wieder andere Zeiten kommen werden, wenn einige Athleten abtreten. Es rücken junge Athleten, auch aus anderen Nationen nach. Dann muss man mit weniger zufrieden sein. Mich persönlich haben die Leistungen der Athleten in Lissabon nicht enttäuscht. Manche hätten mit etwas mehr Glück eine Medaille machen können. Man muss immer jeden einzelnen Athleten betrachten und darf nicht alle Leute über einen Kamm scheren. Man sollte die Erwartungshaltung vielleicht auch etwas runterschrauben. Wenn dann mehr Medaillen rauskommen, kann man sich auch richtig freuen. 

Steeple:
Wo sehen Sie – als abschließendes Fazit – die deutsche Leichtathletik in der Zukunft, also in fünf oder zehn Jahren?

Boris Henry:
Ich beziehe es auf den Wurfbereich. Ich denke schon, dass die Jugend nachrücken wird. Ich sehe im Speerwurf schon drei, vier Talente, die später in die Fußstapfen von Raymond Hecht, Peter Blank und von mir treten, nach vorne preschen können und in der Lage sein werden, Medaillen zu machen. Das wird es auch in anderen Disziplinen geben. Wie das dort im Detail aussieht, weiß ich nicht. Ich denke aber, es wird immer wieder jemand nachkommen, der Medaillen macht, so dass der DLV immer gut dastehen wird. Auch wenn man jetzt in Sydney und in Lissabon nicht so gut abgeschnitten hat, werden wieder bessere Jahre kommen. Es hängt aber auch davon ab, wie die Regierung weiterhin den Sport unterstützt und die Sponsoren Gelder zur Verfügung stellen, um die Verbände zu unterstützen. Davon wird es abhängig sein. In anderen Nationen wird mehr Geld in den Sport investiert und da ist manches dann auch leichter. In Deutschland ist man von vielen Faktoren abhängig und deshalb muss man Erfolge vorweisen.

Steeple:
Vielen Dank für das ausführliche und interessante Gespräch.