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Saison 2001

Den Spikes seit Sydney ade gesagt

Jirka Arndt versucht jetzt auf der Straße und im Marathon sein Glück

19.09.01 (fc) „Am 30. September trug ich zum letzten Mal Spikes“, sagt Jirka Arndt. Damit ist sogleich die Brücke geschlagen zu seinem größten sportlichen Erfolg bislang, der Finalteilnahme bei den Olympischen Spielen in Sydney und seinem achten Platz über 5000 Meter. Aber bereits damals keimte der Gedanke, auf die Straße zu wechseln, im Hinterkopf. Den setzte er nun in die Tat um. In wenigen Tagen, exakt nach einem Jahr, steht die große Bewährungsprobe an. Der 28jährige gibt sein Marathon-Debüt in Berlin und hat sich in den letzten Wochen gezielt darauf vorbereitet.

Lange Zeit plagten ihn Verletzungssorgen. Zunächst war es die Achillessehne, dann übertrugen sich die Beschwerden auf die Hüfte. Erst relativ spät konnte der Potsdamer das Training für die Straßensaison aufnehmen, nachdem die Entscheidung, das Glück im Marathon zu versuchen, endgültig feststand. Am 29. Juni bestritt er in seiner Heimatstadt sein erstes Rennen nach der Pause. Es war fast so etwas wie ein klammheimlicher Aufgalopp. Einen ernsthafteren Test stellte der City-Lauf in Berlin Anfang August dar. „Es war ein schöner Lauf für mich“, freute er sich nach seinem zweiten Platz. Er hatte die zehn Kilometer in 30:06 Minuten zurückgelegt. Anschließend ging es direkt in das Trainingslager nach Sankt Moritz, wo er unter anderem mit dem Schweizer Victor Roethlin und dem Österreicher Michael Buchleitner sowie den deutschen Langstrecklern trainierte. Dass er den Rückstand, den er damals noch hatte, schon annähernd aufgeholt hat, bewies Jirka Arndt beim Abschlusstest in Polen am 9. September. Bei einem Halbmarathon in Pila kam er mit einer vorsichtigen Renngestaltung in 1:04:42 Stunden auf den sechsten Rang, zwei Minuten hinter Roethlin, aber klar vor Buchleitner.

Jirka Arndt erwartet einen Kampf mit sich selbst und hofft auf eine deutsche Jahresbestzeit

„Der Kampf mit sich selbst“, so umschreibt er bald beim bedeutendsten deutschen Marathon in Berlin er die Faszination der 42,195 Kilometer, die er in Kürze kennenlernt. Es wird ein Heimspiel, schließlich startet er für den SCC Berlin und wohnt vor den Toren der Bundeshauptstadt. Unter Druck will er sich aber keinesfalls setzen. Mit einer neuen deutschen Jahresbestzeit hat er sein Ziel definiert. Eine Zeit unter 2:15 Stunden würde dafür schon reichen. Der aktuelle Richtwert liegt bei 2:15:57 Stunden. „Es kann sein, dass andere mehr von mir erwarten“, vermutet Arndt. Er will sich strikt an die vorgegebene Marschroute halten. Die Taktik zielt auf ein kontrolliertes Rennen ab. Damit, dass er, wie oft auf der Bahn, mutig an der Spitze zu sehen sein wird, ist eher nicht zu rechnen. Wenn er noch die Kraft dafür hat, spekuliert er auf ein starkes Finish auf den letzten Kilometern. „Mein Manko war früher immer die Ausdauer, schnell genug war ich“, blickt er auf die letzten Jahre zurück und hofft nun, sich die entsprechende Basis für die längeren Strecken erarbeitet zu haben.

Mit Stephane Franke hatte Jirka Arndt bis zu den Olympischen Spielen für rund ein Jahr einen erfahrenen Langstrecken- und Straßenläufer als Trainer an seiner Seite, von dem er sich weiterhin, wenn nötig, einen Rat holt. Nachdem sich die Wege im letzten Winter unfreiwillig trennten, weil Franke keine Trainerstelle erhielt und sich später für die Aufgabe als ISTAF-Meetingdirektor entschied, befindet sich Arndt wieder in den Händen von Axel Pohlmann, der ihn bereits zuvor betreut hatte: „Er dient mir als Mentor und Freund, der mir unter die Arme greift. Wir hatten über die ganzen Jahre schon gut zusammengearbeitet.“ Der Kontakt war auch in der Zeit, als Franke das Training übernommen hatte, nie abgerissen und somit konnten beide nicht nur auf die Erfahrungen aus der früheren Zusammenarbeit zurückgreifen. Der Schnitt mit der Auflösung der erfolgreichen Trainingsgruppe war für Arndt im Gegensatz zu seinem einstigen Weggefährten Damian Kallabis nicht ganz so groß und er hatte sich rasch mit der neuen Situation abgefunden. „Vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass ich verletzt war und wir sowieso nicht gemeinsam trainiert hätten“, meint er, „ich habe aber viel von Stephane gelernt.“

Europameisterschaft in München: Plan B wären die 10.000 Meter

Die EM-Teilnahme 2002 in München ist das nächste große Ziel des Jirka Arndt. Am liebsten auf der Straße, also im Marathon. Dabei denkt er momentan noch nicht an die EM-Norm, die er möglicherweise bei einem Frühjahrsmarathon angreifen möchte. Für den Fall, dass es nicht klappt, hat er sich schon einen Plan B zurecht gelegt. Die 10.000 Meter wären die Alternative. Dafür müsste er wieder die derzeit fast symbolisch in der Ecke stehenden Spikes rausholen und bei den Wald-, Schotter- und Straßenstrecken, die er mittlerweile zu schätzen gelernt hat, möglicherweise kürzer treten. Aber soweit denkt der Architekturstudent noch gar nicht. 

Einer Unterstützung kann sich Arndt übrigens sicher sein. Sein Großvater, der mit 78 Jahren selbst noch läuft und von dem er vermutlich sein Talent vererbt bekam, wird ihm bestimmt die Daumen drücken. Das nächste Mal am 30. September zum Berlin-Marathon. Nur noch wenige Tage bis zum Debüt…

Mehr zum Marathon-Debüt von Jirka Arndt in unserem Interview…