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Hallen-Weltmeisterschaft in Lissabon

Deutsche Leichtathletik in der Kritik

Schlechtestes DLV-Ergebnis bei einer Hallen-Weltmeisterschaft


12.03.01 (fc) Der scheidende DLV-Präsident Prof. Dr. Helmut Digel machte keinen Hehl daraus, dass das Ergebnis der kleinen deutschen Mannschaft bei der Hallen-Weltmeisterschaft in Lissabon am vergangenen Wochenende nach kritischen Worten verlangt: „Wir können mit den Leistungen nicht zufrieden sein.“ Zwei Bronzemedaillen durch Fünfkämpferin Karin Ertl (Bild) und die 4×400-Meter-Staffel der Frauen waren die magerste Ausbeute eines deutschen Teams in der Geschichte der Hallen-Weltmeisterschaft. Wir haben die Leistungen der 18 Teilnehmer unter die Lupe genommen.

Tim Goebel (60 Meter):
Ohne Frage war der Auftritt des Schützlings von Benno Eicker der erfrischendste im DLV-Team. Mit einem sechsten Platz im Endlauf und einer Zeit von 6,59 Sekunden bestätigte der Nachwuchssprinter genau das Niveau, das er auch in der Hallensaison an den Tag gelegt hatte und verkaufte sich unter den internationalen Sprintern sehr gut.

Jan Fitschen (3000m):
Vom IAAF-Council zum Zuschauen verdammt! Trotz einer Dringlichkeitssitzung am Donnerstagabend blieb der Weltverband bei der Sperre des Wattenscheiders, der in Dortmund gegen den gesperrten Dieter Baumann gelaufen war. Das „Bauernopfer“ bewies allerdings sportliche Größe, als er auf die Möglichkeit einer gerichtlichen einstweiligen Anordnung von sich aus verzichtete. Die Worte von Prof. Dr. Helmut Digel („Hier wird das FairPlay mit Füssen getreten“) waren nur ein schwacher Trost.

Charles Friedek (Dreisprung):
Wer die Ansprüche, die der Weltmeister an sich selbst stellt, kennt, war nicht verwundert, dass er nach seinem vierten Platz den Kopf hängen ließ und rasch das Weite suchte. Eine Medaille sollte es sein und bis sich Jonathan Edwards im letzten Durchgang auf den zweiten Rang katapultierte, hatte sie der Leverkusener noch inne, ehe sie ihm förmlich durch die Finger glitt. 17,13 Meter waren zwar deutsche Jahresbestweite, aber es wäre mehr möglich gewesen. Charles Friedek ist nach seinem Verletzungspech vor Sydney zurück und weiterhin zur Weltspitze zu zählen.

Martin Buss (Hochsprung):
Insgesamt blieben alle Hochspringer in Lissabon unter ihren Möglichkeiten. Die Pausen zwischen den Sprüngen waren lang. Für den deutschen Teilnehmer war der fünfte Platz im Rahmen, gerade, wenn man seine lange Verletzungspause im letzten Jahr in Betracht zieht. Eine Medaille konnte man nicht unbedingt erwarten.

Michael Stolle (Stabhochsprung):
Mit dem neunten und damit letzten Platz von Michael Stolle musste der deutsche Stabhochsprung einen argen Tiefschlag hinnehmen. Die 5,45 Meter waren indiskutabel. Nach einer Unterbrechung hatte der Zweite der deutschen Hallen-Bestenliste diesen Jahres nicht in den Wettkampf gefunden.

Birgit Rockmeier (200m):
In Abstinenz ihrer nicht nominierten Schwester Gaby, die die deutsche Bestenliste mit 23,01 Sekunden anführt, scheiterte Birgit Rockmeier im Halbfinale. Mit einer Zeit von 23,28 Sekunden im Vorlauf blieb sie etwas über ihrer Saisonbestleistung.

Shanta Ghosh (400m):
Die aufstrebende Rehlingerin verpasste den Finaleinzug. Vielleicht zu offensiv ging sie das Halbfinale an. Leider konnte sie die 51,48 Sekunden von Dortmund nicht wiederholen, denn dann wäre mehr möglich gewesen.

Ivonne Teichmann (800m):
Auch die Magdeburgerin verpasste ihr erklärtes Ziel, in den Endlauf einzuziehen. Aber sie war sich bereits vorher darüber im Klaren, dass es schwer werden würde. Letztlich waren es nur die Meter, die sie im Semifinale nach vorsichtigem Beginn auf der Außenbahn verbringen musste, die zum Finale fehlten. Ein Rennen, das Ivonne Teichmann sicher weiterbringt.

Juliane Sprenger (60m Hürden):
Den Vorlauf souverän gelöst, im Halbfinale in 8,13 Sekunden gescheitert. Aber sie hätte ein perfektes Rennen gebraucht, um in den Endlauf vorzustoßen.

4×400 Meter Frauen
Man sollte die Bronzemedaille nicht überbewerten. Es waren nur vier Staffeln am Start und die US-Formation war in schwacher Besetzung ein Schatten ihrer selbst. Mutig liefen auf den Positionen eins und drei Claudia Marx und Florence Ekpo-Umoh.

Karin Ertl (Fünfkampf):
Endlich hatte es die 26jährige geschafft, das Feld von hinten aufzurollen. Mit für sie tollen 14,79 Metern im Kugelstoßen legte sie den Grundstein für ihre Bronzemedaille. Gefreut hat sie aber vor allem, dass es ihr gelungen ist, Sabine Braun im innerdeutschen Duell zu besiegen, denn noch eine Woche vor der WM hatte sie ihr Ziel auch damit definiert, „Sabine eines Tages zu schlagen.“ Mit 4678 Punkten übertraf sie ihre Punktzahl von der Hallen-EM in Gent im letzten Jahr. Die Müdigkeit der Olympiastrapazen konnte Karin Ertl im entscheidenden Moment aus den Beinen schütteln.

Sabine Braun (Fünfkampf):
Im Vorfeld als sichere Medaillenkandidatin gehandelt, blieb ihr nach einem durchschnittlichen Wettkampf nur der fünfte Platz. Vor allem in den Sprüngen wären die Punkte, die zu einer Medaille fehlten, vielleicht noch möglich gewesen. Nach der Niederlage im Freien im letzten Jahr gegen Astrid Retzke, musste die routinierte Allrounderin nun im nationalen Vergleich mit Karin Ertl auch in der Halle eine Niederlage hinnehmen.

Heike Drechsler (Weitsprung):
In einem hochklassigen Wettkampf blieb der Olympiasiegerin nur der fünfte Platz. Die 6,75 Meter bedeuteten immerhin eine neue deutsche Jahresbestweite und eine Steigerung gegenüber den letzten Leistungen in Dortmund und Sindelfingen. Etwas gewurmt haben die Karlsruherin die ungültigen Versuche. Trotzdem war sie relativ zufrieden und bezeichnete die Hallen-WM nur als „Zwischenstation“.

Nadine Kleinert-Schmitt (Kugelstoßen):
Platz vier – das war der Magdeburgerin zu wenig. 18,87 Meter – das lag im Soll, aber die Hoffnung auf Edelmetall blieb unerfüllt. Die wichtigste Erkenntnis des Winters scheint aber zu sein, dass Nadine Kleinert-Schmitt ihre gesundheitlichen Probleme überwunden hat.

Elena Herzenberg (Hochsprung):
So sehr man sich im Laufe der Hallensaison über die Auftritte und Leistungen der Ludwigshafenerin freute, so ernüchternd waren ihre 1,80 Meter in Lissabon. Sie hätte das Potential für einen Platz im Mittelfeld gehabt, so bleiben aber nur die internationalen Erfahrungen als Erkenntnis.

Yvonne Buschbaum (Stabhochsprung):
Mehr als die deutsche Jahresbestleistung von 4,40 Metern sollte es werden. Insgeheim hoffte man vielleicht sogar auf eine Medaille. Im Laufe der Konkurrenz kristallisierte sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft heraus, bei der die Stuttgarterin an diesem Tag mit 4,25 Metern leider nur zur zweiten Klasse zählte.

Fazit:
Dass das Abschneiden mit den etablierten Aktiven stehen und fallen würde, war vorher schon deutlich. Im nachhinein betrachtet, konnte allerdings niemand davon wirklich die Verantwortung übernehmen und die deutsche Mannschaft aus ihrer durch die Fitschen-Wirren seltsamen Stimmung reissen. Die Lichtblicke in Lissabon waren in erster Linie Karin Ertl und Tim Goebel. Ein paar der jungen Athleten konnten zumindest das Flair am Atlantik schnuppern und werden unter Umständen bei den nächsten Aufgaben davon profitieren. Zwar fehlten einige der deutschen Leistungsträger, dies kann aber nicht als Pauschalentschuldigung für die magere Ausbeute gelten. Die wirklichen und aufsehenerregenden Überraschungen, die der krisengeschüttelten deutschen Leichtathletik gut getan hätten, blieben an den drei Tagen in Portugal aus.

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