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Kommentar

Über Angebot und Nachfrage

Die deutsche Leichtathletik im Spiegel der knallharten Marktwirtschaft

02.09.01 (fc) Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, das ist ein altes Gesetz der Marktwirtschaft. In direkter oder mittelbarer Form war das in den letzten Tagen und Wochen auch in der deutschen Leichtathletik zu spüren. Während die Weltmeisterschaft in Edmonton das sportliche Krisengerede etwas abbremste, so sieht es im wirtschaftlichen Sektor doch etwas anders aus.

Die Meetings und das Fernsehen
„Wir müssen den Weg durch die Talsohle gehen“, sagt Ludwig Franz in seiner Position als Präsident der German Meetings. Sein Meeting LIVE in Nürnberg steht unmittelbar vor dem Aus, nachdem Hauptsponsor Karstadt Quelle AG seine Mittel für das nächste Jahr gestrichen hat und das Hallensia Indoor in Halle gab in diesen Tagen bereits seinen definitiven Rückzug bekannt. Die Meetings rangeln sich bereits jetzt um die besten Fernsehtermine im nächsten Jahr, um ihre Schäflein im Trockenen zu haben. Die auch vom DLV in Darmstadt ausgemachte Konkurrenzsituation ist unübersehbar. Das Angebot (an Meetings) ist groß, die Nachfrage (des Fernsehens) derzeit gering. Aber Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Es ist im Moment ein hoher Preis, wenn man sich vor Augen führt, dass die Golden League im deutschen Fernsehen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet und die Rechte brach liegen. Lediglich das ISTAF in Berlin, das ebenfalls in diesem Jahr den Gürtel finanziell enger schnallen musste, war mit 45 Sendeminuten in den öffentlich-rechtlichen Sendern vertreten. Ohne Fernsehpräsenz der Stars keine Identifikation mit den Athleten, ohne Identifikation keine Nachfrage nach der Leichtathletik bei der breiten Öffentlichkeit. Denn eines ist auch klar: gäbe es einen deutschen Athleten, der von Sieg zu Sieg eilt wie ein André Bucher oder eine Violeta Beclea-Szekely, hätten sich in Deutschland ARD und ZDF mit der Frage nach den Rechten ernsthaft beschäftigen müssen. Aber so? Zumindest zeigten 41.000 Zuschauer am vergangenen Freitag bei guter Stimmung im Berliner Olympiastadion, dass Leichtathletik in Deutschland durchaus noch funktioniert.

Die Athleten und die Meetings
Auch für die deutschen Spitzenkräfte in der Leichtathletik selbst brechen Zeiten an, in denen sie zusehen müssen, dass ihr Profidasein nicht ins Wanken gerät. Bestes Beispiel war Tim Lobinger und sein Engagement beim Bayer-Meeting in Leverkusen. Als eine Startgeldforderung auf dem Tisch lag, die über der eines Olympiasiegers Nick Hysong lag, wurde er kurzerhand aus der Startliste gestrichen. Daraufhin schlossen sich nach scheinbaren Kommunikationsproblemen der Stabhochspringer und Meeting-Direktor Frank Thaleiser ohne Manager Robert Wagner kurz und Lobinger trat für ein geringeres Honorar an. Immerhin ging es im Hintergrund in Leverkusen auch um das Finale des Severin-Stabhochsprung-Cups, bei dem der Sieger einen Scheck über 20.000 Mark in Empfang nehmen durfte. Auch darum wurde im Lobinger-Lager noch gekämpft und nach Wettkampfende eine Diskussion mit den Kampfrichtern entfacht, ob denn nun er oder Danny Ecker gewonnen hätte. Am Ende stand der Leverkusener auf dem Treppchen ganz oben. Viel entscheidender als dieses symptomatische Szenario ist aber die Erkenntnis, dass die Meetings nicht mehr bereit sind, vermeintliche Stars um jeden Preis einzukaufen. Vielmehr dreht sich sich das Rädchen wieder ein wenig in die Richtung, dass die Veranstalter ihrerseits ihre Position gestärkt sehen dürfen und nicht mehr jeder Forderung nachkommen (können?). Insbesondere, wenn es, wie im Stabhochsprung, eine ganze Reihe deutscher Topleute gibt und das Angebot an interessanten Athleten entsprechend groß ist. Angebot und Nachfrage bestimmen eben den Preis. Kugelstoßerin Astrid Kumbernuss (Bild) gehört zu den wenigen Topstars, die auch schon mal ohne ein Startgeld antreten. Vielleicht werden es in Zukunft immer mehr. Zwangsläufig!

Die Vereine und die Athleten
Die Krise beim LAC Quelle Fürth/München führt in diesen Tagen vor Augen, wie abhängig gerade die Vereine von ihren Großsponsoren sind. In Franken steht nun hinter dem gesamten Leistungssport ein dickes Fragezeichen. Die Zukunft von den Vorzeigeathleten wie Tim Lobinger, Karin Ertl, Esther Möller, Ruwen Faller, Nico Motchebon, Manuela Priemer, Franek Haschke oder Carsten Eich ist dort sehr ungewiss. Die ersten haben sich bereits auf die Suche nach einem neuen Verein gemacht und tun gut daran, denn wer frühzeitig unterkommt, ist klar im Vorteil. Je näher das Ende der Wechselfrist rückt, umso stärker wird die Position der Vereine, die sich noch den ein oder anderen Top-Athleten leisten können. Aber wer kann und will das schon wirklich? Die Leichtathletik-Teams, zum Beispiel in Dortmund oder Leverkusen, sind weitestgehend zusammengestellt und es ist nicht damit zu rechnen, dass hier noch weiter aufgestockt wird. Wenn das Angebot an guten Athleten groß ist und so zeichnet es sich ab, die Nachfrage der Vereine aber vergleichbar als gering eingeschätzt werden kann, sind diese der stärkere Verhandlungspartner. Denn auch hier gilt: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.

Die Krise und die Zukunft
Das Geld im Sport-Sponsoring sitzt nicht mehr so locker wie einst. Das ist ein Problem, das der Leichtathletik auf breiter Basis zu schaffen macht, aber auch in anderen Sportarten auftritt. Angst vor dem Euro, ein exakter Abgleich des Preis-/Leistungsverhältnis, der Werbewert und eben auch ein Überangebot bei beschränkter Nachfrage. Man kommt immer wieder auf das Grundgesetz der funktionierenden Marktwirtschaft zurück. Vorerst werden sich einige, und dazu gehören vor allem Meetings, Athleten und Manager, mit kleineren Brötchen abfinden müssen. Der Gürtel ist enger zu schnallen, sicher nicht bei allen, aber vielen. Trotzdem gibt es in der Leichtathletik weiterhin auch finanziell engagierte und treue Sponsoren, die es ermöglichen, die wirtschaftliche Talsohle zu durchschreiten, und die Aktiven können auf eine vorbildliche Sportförderung vertrauen. Es ist aber dennoch nötig, dass Athleten und deren Manager, Meetings und auch der DLV als zentraler Repräsentant der deutschen Leichtathletik ein ganzes Stück enger zusammenrücken, als es momentan der Fall ist, um die Zukunft gemeinsam anzupacken und Konzepte zu entwickeln. Immerhin blickt im nächsten Jahr ganz Leichtathletik-Europa nach München und die EM kann, nein muss man auch national nutzen, um danach mit neuem, aber regulärem Rückenwind aus dem Startblock zu gehen.