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ISPO-Interview mit Carsten Eich

„WM-Verzicht war der richtige Weg“

Nächstes großes Ziel nach Olympia ist die EM 2002 in München

10.08.2000 (fc) Carsten Eich wird zusammen mit dem Wattenscheider Michael Fietz die deutschen Fahnen beim Olympischen Marathon hoch halten. Er hatte schon im letzten Herbst, nachdem er auf die Weltmeisterschaft verzichtete, die Teilnahme unter Dach und Fach gebracht und konnte sich entsprechend langfristig auf diese Aufgabe vorbereiten. Am 16. September fliegt der 30jährige nun mit dem letzten Flieger für die Olympioniken nach Sydney. Das Leichtathletik-Online-Magazin traf ihn auf der ISPO in München bei seinem Ausrüster Asics und unterhielt sich mit ihm unter anderem über die Nominierungskriterien und seine Ziele für Sydney und darüber hinaus. steeple.de:
Carsten, Du bist vor ein paar Tagen beim Berliner City-Lauf gestartet und hast dort gewonnen. Wie war dieses Rennen für Dich?Carsten Eich:
Es war ein Test auf dem Weg nach Sydney. Wir sind jetzt in einer sehr harten, sehr umfangreichen Trainingsphase. So muss man den Lauf auch sehen. Die Konkurrenz war sicherlich nicht zu groß. Deshalb konnte ich relativ souverän gewinnen. Die Zeit hätte ein paar Sekunden schneller sein können, aber ich denke, auf dem Weg zum Olympiamarathon ist das alles noch im grünen Bereich.

„Durch die frühe Qualifikation
hatte ich keinen Druck mehr“

steeple.de:
Du hattest das Olympiaticket sehr früh in der Tasche und konntest Dich entsprechend längerfristig auch auf Sydney vorbereiten. Welche Bedeutung hatte das für Dich?

Carsten Eich:
Ich hatte dadurch natürlich überhaupt keinen Druck mehr. Wir hatten im vergangenen Jahr entschieden, auf die WM zu verzichten, um im Herbst die Norm zu laufen. Das hat zum Glück auch funktioniert. Im Endeffekt sieht man jetzt, da es im Frühjahr nicht hundertprozentig gelaufen ist, dass es der richtige Weg war. Ich hätte mich im Frühjahr wahrscheinlich nicht qualifiziert und wäre wieder zuhause geblieben. Von daher haben wir jetzt viel Zeit gehabt. Wir konnten die Planung auf Olympia ausrichten. Das Frühjahr war eine Zwischenstation und im September soll’s richtig gut funktionieren und ich denke, dass wir da auf einem guten Weg sind.

steeple.de:
Du hast es schon angesprochen. Die Olympischen Spiele stehen vor der Tür. Wie ordnest Du das Event „Olympia“ als Sportler und Teilnehmer ein?

Carsten Eich:
Olympia ist das Größte, was man als Sportler erreichen kann. Wenn man erfolgreich teilnimmt, ist das natürlich eine ganz tolle Sache! Es ist sicherlich so, dass ich jetzt nicht von einer Medaille reden kann. Das wäre unrealistisch. Wir wollen in den Bereich einer Zeit von 2:10 Stunden kommen, das wäre um meine Bestzeit, vielleicht knapp darunter. Wir müssen sehen, wie schnell die Strecke wirklich ist und wie schnell gelaufen wird. Es sind, glaube ich, auch ein paar kleinere Profilanstiege drin. In dem angesprochenen Bereich hoffe ich einfach auf eine gute Platzierung für mich selbst.

steeple.de:
Marathon ist ein Bewerb, bei dem in einem Wettkampf viel passieren kann. Die Konkurrenz wird groß sein in Sydney. Wo siehst Du Dich im internationalen Vergleich im Hinblick auf die Olympischen Spiele?

Carsten Eich:
Wenn man die Weltbestenliste nimmt, bin ich natürlich noch relativ weit hinten, weil sehr viele Leute auch dieses Jahr schon um 2:07 oder 2:08 Stunden gerannt sind. Davon können natürlich nicht alle bei Olympia starten, da nur drei pro Nation antreten dürfen. Ich denke auch, dass man im Lauf ein bisschen nach vorne gespült werden kann, wenn man seine Zeit so um 2:10 erreicht. Ich könnte mir vorstellen, dass einige Leute, die auf Medaillen aus sind und das nicht erreichen, unter Umständen den Lauf auch gar nicht beenden, sondern lieber noch auf die Karte eines großen Herbstmarathons setzen werden. Deshalb denke ich, dass ein Platz zwischen zehn und fünfzehn für mich ein realistisches Ziel und eine ganz gute Geschichte sein könnte.  

steeple.de:
Es gab in den letzten Tagen natürlich wieder einige Diskussionen rund um die Nominierungskriterien. Wie schätzt Du diese Situation ein als Marathonläufer, der doch andere Voraussetzungen hat als die Athleten in den anderen Disziplinen?

„Wäre ich in Sevilla gelaufen,
wäre ich in Sydney nicht mit dabei“

Carsten Eich:
Ich glaube, dieses Jahr sind die Normen für alle ein sehr, sehr heißes Thema, weil gerade jetzt in der Sommersaison auch das Wetter meistens nicht mitgespielt hat. Ich glaube, dass einige, die die Norm knapp verpassten, das Leistungsniveau trotzdem drauf hatten. Man hat es auch nach den Deutschen Meisterschaften gesehen, dass noch Normen gelaufen wurden. Gerade bei Ivonne Teichmann und Kathleen Friedrich im Laufbereich. Da muss man jetzt mal sehen, wie der DLV sich verhält. Ich denke, dass es schon richtig ist, ein leistungsorientiertes Normsystem aufzubauen. Man sollte aber vielleicht auch mehr mit den Heimtrainern und den ganzen Athleten über die Nominierungsrichtlinien sprechen. Gerade wir hatten das Problem, dass wir im vergangenen Jahr dazu gezwungen werden sollten, in Sevilla den Marathon zu laufen, ohne dass darauf Rücksicht genommen werden sollte, was mit der Norm von 2:12 Stunden im Herbst dann noch möglich wäre. Wenn ich in Sevilla gelaufen wäre, die Siegerzeit war knapp 2:14 durch die Hitze, hätte ich im Herbst keine Norm gehabt. Im Frühjahr hatte ich ein paar Probleme. Ich bin knapp über der Norm geblieben und deshalb wäre ich dieses Jahr nicht dabei. Wir haben uns im letzten Jahr durchgesetzt und haben gesagt: ‚Nein, wir verzichten auf die WM für Olympia.‘ Das war der richtige Weg für mich, aber der DLV war natürlich damit nicht einverstanden.

steeple.de:
Wenn wir den Fokus auf die Europameisterschaft 2002 in München legen, glaubst Du, dass jungen Aktiven wie Kathleen Friedrich oder Ivonne Teichmann die Olympiade im Hinblick darauf etwas bringen würde?

Carsten Eich:
Es ist sicherlich nie verkehrt, auch in jungen Jahren so einen großen Wettkampf schon mitgemacht zu haben. Ob es jetzt gleich eine Olympiade sein muss, ist natürlich fraglich. Aber ich glaube, gerade Teichmann, die nun gezeigt hat, dass sie die 800 Meter unter zwei Minuten laufen kann, hätte sicher Chancen, in Sydney zumindest ins Halbfinale zu kommen und das ist für mich ein Nominierungskriterium, das erfüllt werden sollte. Da kann man sicher nicht auf drei oder vier Tage das Ganze fest machen. Aber es gab auch in den letzten Jahren immer wieder diese Streitfälle. Da Fonseca-Wollheim ist regelmäßig mit dem Verband in Querelen gekommen und ist diesmal auch wieder nicht dabei. Das sind einfach Geschichten, die man teilweise nicht nachvollziehen kann. Nichts gegen Marc Blume, der mit einer einmaligen Normerfüllung nominiert wird, was bei anderen nicht gemacht wird. Das ist eine Art Willkür und ich weiß nicht, ob das so recht am Platz ist.

„EM 2002 ist das nächste große Ziel“

steeple.de:
Wenn Du auf die nächsten Jahre Deiner weiteren Laufbahn vorausblickst, welche Ziele hast Du Dir da noch gesteckt?

Carsten Eich:
Ich möchte nach Sydney in jedem Fall im gesamten Olympiazyklus im Marathonbereich noch dabei sein. Ich will meine Bestzeiten steigern. Wir müssen jetzt so schnell wie möglich unter 2:10 Stunden kommen, um der Weltspitze nicht zu weit hinterher zu hinken. Der deutsche Rekord mit 2:08:47 Stunden wäre natürlich ein traumhaftes Ziel. Das wäre etwas, das ich sehr gerne erreichen würde und ich denke, dass das auch möglich ist. Die EM 2002 in München, hier in unmittelbarer Nähe meines Vereins und im eigenen Land, ist mir sehr wichtig und sollte auch im Mittelpunkt stehen. Das ist das nächste große Ziel!

steeple.de:
Vielen Dank für das Gespräch, Carsten, und viel Erfolg in Sydney!

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