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Interview mit Tegla Loroupe

„Ich bin sehr traurig“

Nur repräsentativ zur WM nach Edmonton – Berlin-Marathon im Visier

01.08.2001 (rk) Wenn am Freitag die Weltmeisterschaft in Edmonton beginnt, wird der kenianische Lauffloh Tegla Loroupe nur Zuschauer sein. Wegen ihrem Fehlen beim Trainingslager in der Heimat wurde sie aus dem Aufgebot gestrichen. Robin Kloeppel hat sich exklusiv mit der 28jährigen, die nun lediglich zu repräsentativen Aufgaben nach Edmonton fliegt, unterhalten. Dabei spricht sie nicht nur über ihre Enttäuschung, sondern auch über ihre weiteren Pläne und ihr caritatives Engagement.

Tegla, Sie wollten eigentlich in Edmonton 10.000-Meter-Weltmeisterin werden. Und nun hat der kenianische Verband Sie aus dem WM-Team geworfen. Was war los? Tegla Loroupe:
Ich hatte dem Verband noch vor meiner Nominierung frühzeitig mitgeteilt, dass ich mich in der Schweiz auf die Weltmeisterschaften vorbereiten möchte. Und es hat niemand etwas dagegen gesagt. Deswegen kann ich die nun getroffene Entscheidung überhaupt nicht nachvollziehen. Viele Menschen in Kenia teilen meine Meinung. Ich bin sehr traurig. Sie haben gesagt, dass Sie nie wieder für Kenia antreten möchten und bezeichnen sich, weil Sie mit Volker Wagner einen deutschen Trainer haben und sich deshalb oft im ostwestfälischen Detmold aufhalten, gerne als „deutsche Kenianerin“. Besteht die Chance, dass Sie künftig international auch für Deutschland starten? Tegla Loroupe:
Zunächst werde ich jetzt einmal auf Einladung des Leichtathletikweltverbandes nach Edmonton fliegen und dort auch einige Termine für meinen Sponsor Nike wahrnehmen. Dann sehen wir weiter! Zum einen möchte ich meine kenianischen Landsleute nicht enttäuschen, für die ich eine Hoffnungsträgerin bin, weil ich gezeigt habe, dass man es schaffen kann, der Armut davon zu laufen, wenn man wirklich hart dafür arbeitet. Zum anderen liebe ich natürlich auch Deutschland, wo ich mittlerweile viele Freunde habe. Es gibt aber auch noch andere Verbände, die froh wären, wenn ich für sie starten würde. Jeder kann mit mir reden. Ich werde in Ruhe überlegen, bevor ich entscheide, was ich künftig mache.
Sie haben seit Ihren krankheitsbedingten Niederlagen bei den Olympischen Spielen in Sydney letztes Jahr (Loroupe hatte sich einen Abend vor dem Marathon eine Lebensmittelvergiftung zugezogen) kein großes Rennen mehr gewonnen. Ist Tegla Loroupe satt? Tegla Loroupe:
Nein, überhaupt nicht. Meine Leistungen im Training können sich sehen lassen. Am Anfang dieses Jahres hatte ich Probleme mit meinem Bein, die mich etwas zurückgeworfen haben. Aber momentan geht es mir gut. Dass ich in den letzten Meetings vor der WM meinen Gegnerinnen nicht gezeigt habe, was derzeit wirklich wieder in mir steckt, ist doch normal. Schließlich wollte ich in Edmonton nach drei Halbmarathonweltmeisterschaften und vielen Stadtmarathonsiegen hier meinen ersten internationalen Titel auf der Bahn gewinnen.
Was sind Ihre nächsten sportlichen Ziele? Tegla Loroupe:
Ich habe vor, am 30. September den Berlin-Marathon zu laufen und zu zeigen, dass Tegla Loroupe noch sehr lebendig ist. Dort möchte ich Olympiasiegerin Naoko Takahashi schlagen und meinen eigenen Weltrekord verbessern. Dafür werde ich nach der Rückkehr aus Kanada in der Schweiz sehr hart trainieren. Ich denke, ich kann noch fünf Jahre auf hohem Niveau laufen und habe vor, dann in die Politik zu gehen, um als Ministerin meinen Beitrag dazu zu leisten, die Lebenssituation der Menschen in Afrika entscheidend zu verbessern.

Sie tun jetzt schon nicht wenig? Tegla Loroupe:
Ja, ich werde in meiner Heimat eine Schule für kenianische Straßenkinder bauen, deren Eltern sich das normale Schulgeld nicht leisten können. Das Grundstück hierfür habe ich bereits aus Eigenmitteln erworben. Denn diesen jungen Menschen sollte man die Chance auf eine bessere Zukunft geben. Ich bin sehr froh, dass ich in Deutschland mittlerweile viele Politiker auf meiner Seite habe. So gibt es eine enge Kooperation mit dem Hessischen Sozialministerium, für das ich letztes Jahr zusammen mit meiner Trainingskollegin Joyce Chepchumba, der Olympiadritten von Sydney, bereits für Organspenden geworben habe. Durch diese freundschaftlichen Kontakte nehme ich in meiner zweiten Heimat viele caritative Termine wahr, um schwer kranke, behinderte und sozial schwache Kinder zu unterstützen. Sie haben auch schon vielen schwer Kranken, was Arzt- und Medikamentenkosten angeht, finanziell unter die Arme gegriffen, gelten für viele als beliebteste Sportlerin Afrikas! Tegla Loroupe:
Mag sein, aber ich möchte nichts Besonderes sein und hoffe, dass ich noch der selbe Mensch bin, der ich früher war. Ich hasse Arroganz! Niemand ist mehr Wert als andere, nur weil er vielleicht schneller läuft. Deswegen habe ich mich kürzlich auch in Hessen beim „Wallauer Mittsommerlauf“, wo ich eigentlich nur als Laufpatin den Startschuss geben sollte, auf der Strecke spontan unter die Hobbyläufer gemischt. Ich wollte zeigen, dass Tegla eine von ihnen ist.
 
Danke für das Gespräch!

von Robin Kloeppel

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