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Interview mit Sonja Kesselschläger

„Ich weiß jetzt, was ich kann“

Die Mehrkämpferin bleibt bescheiden – Fernziel: EM 2002

16.03.00 (fc) Bei der ersten Entscheidung der Hallen-Europameisterschaft in Gent waren zwei deutsche Fünfkämpferinnen mit von der Partie. Während Karin Ertl erfolgreich den Titel anpeilte, schickte sich Sonja Kesselschläger dahinter an, im „Konzert der Großen“ munter mitzumischen. Am Ende erreichte die 22jährige mit einer neuen persönlichen Bestleistung von 4468 Punkten den beachtlichen sechsten Rang. Damit bestätigte sie das gute Resultat vom Hallen-Mehrkampf im Februar in Frankfurt-Kalbach und unterstrich ihr Potential für die Zukunft. 

Im Gespräch mit steeple.de blickt die Neubrandenburgerin auf die Hallensaison zurück und stellt Ihre Pläne und Ziele für den Sommer und darüber hinaus vor:

steeple.de:
Sonja, Du warst im Februar Zweite beim Internationalen Mehrkampf in Frankfurt-Kalbach. War es für Dich überraschend, dass Du dort doch recht nah an Karin Ertl herangekommen bist?

Sonja Kesselschläger:
Dass ich so nah rangekommen bin, war für mich schon überraschend. Aber das lag auch daran, dass Karin über die 800 Meter nicht voll gelaufen ist. Sie wollte eigentlich nur die Norm machen und hat auch locker gelassen, sonst hätte sie leicht noch hundert Punkte mehr machen können. Für mich persönlich war überraschend, dass ich so viele Punkte über der Norm schaffte, also, dass ich 4460 machte. Insgeheim hatte ich von 4400 Punkten geträumt, nicht richtig dran geglaubt, gehofft und dass es dann gleich so viele werden, hätte ich nicht gedacht. Dass ich dann so nah an Karin rangekommen bin, das war dann eigentlich nur zweitrangig. Ich habe nie gedacht, ich will den Wettkampf gewinnen. Das war nicht so wichtig. Es war insgesamt ein Superergebnis und ich hätte es mir nicht besser erträumen können.  

steeple.de:
Mit welchen Erwartungen bist Du danach nach Gent zur Hallen-EM gefahren?

Sonja Kesselschläger:
Ich wollte gern noch mal versuchen, das Ergebnis zu wiederholen, zu bestätigen. Ansonsten habe ich das eigentlich ganz locker angehen lassen. Locker in Anführungsstrichen. Die Nervosität war natürlich da, aber ich hatte mir jetzt nicht große Ziele gesetzt. Mein Ziel war einfach, dabei zu sein und einen ordentlichen Mehrkampf zu machen ohne irgendeinen Ausreißer ins Negative. Das war dann auch nicht so und von daher war ich auch ganz zufrieden. Ich habe noch vier Punkte mehr gemacht. Das war schon schön.  

steeple.de:
Wie war es für Dich, bei den Wettkämpfen einer Hallen-EM den ganzen etablierten Athletinnen wie Wlodarczyk oder Hautala gegenüber zu stehen?

Sonja Kesselschläger:
Beim Europacup bin ich Wlodarczyk auch schon begegnet. Von daher kannte ich dieses Gefühl schon, gegen um einiges Stärkere zu laufen. International war ich ja schon öfter dabei. Und das Gefühl gegen die starken Russinnen zum Beispiel zu laufen, kannte ich also in dem Sinne schon. 

steeple.de:
Du hast es eben schon angedeutet. Du warst bei der U23-EM im letzten Jahr und 1997 bei der Junioren-EM mit zwei dritten Plätzen schon gut vertreten. Wie würdest Du jetzt den sechsten Platz von der Hallen-EM in Gent damit vergleichen?

Sonja Kesselschläger:
Der sechste Platz von Gent ist für mich das Größte, was ich geschafft habe bisher. Ich würde das für mich höher werten, auch wenn die Zahl größer ist. Die Sechs größer als die drei. So ist es für mich doch bedeutender, bei den Frauen den sechsten Platz zu erreichen.  

steeple.de:
Wo siehst Du jetzt den Unterschied zwischen den Junioren und dem arrivierten Feld?

Sonja Kesselschläger:
Das ist um einiges schwerer. Man sieht die Unterschiede, die noch bestehen. Bei den U23 oder Junioren war das Feld einfach enger zusammen. Hier trennen einen dann schon große Weiten an Punktzahlen.  

steeple.de:
Was war für Dich denn das schillerndste Erlebnis bei der Hallen-EM?

Sonja Kesselschläger:
Oh. Das Schönste, das war eigentlich, dass Karin gewonnen hat. Und alles so drumrum. Es war einfach schön. Kann ich jetzt auch nicht so sagen, was besonders war. Ich fand’s aber ganz toll, dass Karin gewonnen hat. Das war richtig schön. 

steeple.de:
Wie hast Du denn den zweiten Tag erlebt, als Dein Wettkampf vorbei war und plötzlich die Pechsträhne in der deutschen Mannschaft Einzug gehalten hat?

Sonja Kesselschläger:
Das war ziemlich schlimm, mitanzusehen, wie die alle nacheinander so rauspurzelten, sag ich mal so. Das hatte ich eigentlich noch nie so gesehen. Man konnte das gar nicht so glauben, dass da schon wieder einer stehen geblieben ist oder hingefallen. Es war schlimm und ich war froh, dass ich meinen Wettkampf hinter mir hatte. 

steeple.de:
Mit welchen Erfahrungen bist Du aus Gent nach Hause gefahren? Was nimmst Du von der Hallen-EM mit für die nächsten Aufgaben?

Sonja Kesselschläger:
Ich weiß jetzt, was ich kann! Ich hatte mir vor der Halle nicht so viel für draußen vorgenommen. Jetzt habe ich mir ein bisschen mehr für draußen vorgenommen. Ich wollte vorher 6000 Punkte machen. Nun bin ich selbstbewusster und motivierter, so dass ich das auf jeden Fall schaffen will und hoffentlich auch werde. Ich weiß, dass ich auch mehr kann, vielleicht auch die 6100.

steeple.de:
Nun steht ja für Dich ein Trainingslager in der Sierra Nevada in Spanien an. Wie sehen jetzt so Deine weiteren Pläne aus im Hinblick auf die Freiluft-Saison?

Sonja Kesselschläger:
Wir fahren jetzt zwölf Tage ins Höhentrainingslager. Dann sind wir drei Wochen wieder zuhause. Anschließend fahren wir dann noch mal in die Schweiz in 1000 Meter Höhe und trainieren dort weitere zwei Wochen. Am 1. Mai ist der erste Wettkampf mit der Bahneröffnung in Neubrandenburg. In Götzis geht’s dann richtig los.

steeple.de:
Apropos Götzis. Es ist Dein erster Start dort. Du hast sicher schon einiges gehört über das Mehrkampf-Meeting. Was denkst Du, was da so abläuft?

Sonja Kesselschläger:
Viele, viele Zuschauer. Ich werde sehr aufgeregt sein. Meine Motivation wird durch die Zuschauer sehr groß sein. Ich hoffe, dass ich in Götzis die 6000 Punkte schon knacke. Ich hab dort einen eigenen, kleinen Fanclub mit. Ich glaube, es wird einfach nur Spaß machen. Hoff ich. Ich bin riesig froh, dass ich da dabei bin. Ich hab immer gesagt Götzis ist für die Mehrkämpfer so wie Hawaii für die Triathleten. Ich kenne das nur von Erzählungen und es soll einfach nur schön sein, weil auch die Zuschauernähe so toll dort ist.

steeple.de:
Wie denkst Du, wird das für Dich sein, wenn dort – gehen wir mal davon aus, dass sie starten – Weltmeisterin Eunice Barber und Europameisterin Denise Lewis mit im Feld sind? Ist das für Dich was Besonderes?

Sonja Kesselschläger:
Ich bin mit Eunice Barber schon mal beim Hürdenlauf gelaufen. Aber da wusste ich noch nicht, dass sie Weltmeisterin wird. Das war aber auch beim Europacup. Klar, es ist schon was Besonderes. Man schaut dann eben nach oben. Es ist noch weit, weit hin bis zu ihren Punktzahlen. Man kuckt immer mit Staunen, was die anderen so können. 

steeple.de:
Ist jetzt nach der Qualifikation für die Hallen-EM Sydney ein Thema?

Sonja Kesselschläger:
Eigentlich nicht. Das war jetzt ein Fünfkampf, die meisten lassen die Halle weg. Es gibt sechs oder sieben Kandidaten, zu denen ich nicht gehöre, die schon 6250 Punkten gemacht haben. Meine Bestleistung liegt bei 5890 Punkten im Siebenkampf. Von daher zähle ich mich nicht zu den Kandidaten für Sydney. Ich habe zwar jetzt schon von mehreren Seiten gehört, Du könntest ja… Ich glaub da nicht dran, aber man träumt schon davon. Gerade nach der Hallensaison träum ich jetzt mehr davon als vorher. Da hatte ich gar keinen Gedanken daran verschwendet. Ich denke schon mal dran, sehe aber keine Chance.

steeple.de:
Wo würdest Du Dich denn selbst in der Rangliste einordnen oder was denkst Du, welchen Platz Du national machen kannst, wenn es gut läuft?

Sonja Kesselschläger:
Das möchte ich nicht so sagen. Ich weiß es nicht. Jedenfalls weiter oben. Ich weiß auch nicht, ob die anderen ihre Punkte bringen oder nicht. Der Platz ist nicht so entscheidend, für mich ist wichtig, dass die Punkte kommen. Wenn ich am Ende Fünfte werden sollte, weil ich irgendjemand geschlagen habe, ist das schön. Aber umso mehr ich über 6000 Punkte mache, je zufriedener bin ich. Und wenn ich dann am Ende Achter bin, ist das auch egal. 

steeple.de:
Du nimmst die Saison also eher als weitere Steigerungsstation, um zu sehen, wo steh ich…

Sonja Kesselschläger:
Ja, genau. Als weitere Entwicklung um für die Zukunft zu sagen, vielleicht nehm ich es dann nächstes Jahr in Angriff, wenn ich jetzt ganz nah an die 6250 Punkte komme. Angenommen ich schaffe 6100 Punkte, dann sage ich eben: Okay, nächstes Jahr haue ich dann noch die 150 Punkte drauf. Und wenn dann ein paar der älteren Siebenkampf-Damen aufgehört haben, würde ich dann auch die Chance wahrnehmen, zur WM mitzufahren. Ich denke auch eher an die Europameisterschaft 2002 in München. Für die nächste Entwicklung müssen erst mal mehr die Punkte stimmen als der Platz.

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