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Deutsche Meisterschaften in Braunschweig

Schwarthoff überrascht Balzer

Nur wenige Olympianormen fallen – Gesell überzeugt über 800 Meter

29./30.07.00 (fc) Regen begrüßte am Samstag die Teilnehmer der 100. Deutschen Meisterschaften in Braunschweig. Einige Athleten warfen deshalb einen sorgenvollen Blick gen Himmel. Hammerwurf-Weltmeister Karsten Kobs sorgte gleich zu Beginn der Titelkämpfe für den „Hammer“ zum Auftakt. Bei widrigen Bedingungen schaffte er den ersten 80-Meter-Wurf des Jahres. Dieter Baumann diktierte das 5000-Meter-Rennen ohne Mühe. Stark war auch Stabhochspringer Tim Lobinger mit der deutschen Jahresbestleistung von 5,85 Metern. Claudia Gesell nutzte die immer besser werdenden äußeren Bedingungen schon im Vorlauf zur 800-Meter-Olympianorm (1:59,71 min) und lief tags darauf zu einem Start-Ziel-Sieg. 21.000 Zuschauer sorgten auch am Sonntag wieder für eine blendende Stimmung auf den Rängen im Stadion an der Hamburger Straße. Drei Aktive schafften am zweiten Tag noch den Sprung in den Olympiakader, was zugleich die Höhepunkte darstellte – zumindest emotional. Der Hürdensprint brachte Florian Schwarthoff, der überraschend siegte, Ralf Leberer und einen enttäuschten Falk Balzer als Olympiastarter hervor.

Sonntag

  • Urbansky erkämpft sich Titel gegen Trainingskollegin Meissner

  • Sofia Schulte verpasst zweite Normerfüllung um einen Zentimeter

  • Franka Dietzsch besiegt Ilke Wyludda im Diskuswerfen

  • Grit Breuer gewinnt über 400 Meter

  • Florian Schwarthoff überrascht Falk Balzer

  • Buschbaum, Mertens und Rhoden lösen Tickets für Sydney

Das schöne Wetter, das den Samstag beschlossen hatte, war am Sonntag wie weggeblasen. Zumindest blieb es den ganzen Tag trocken, was Kirsten Münchow im Hammerwerfen mit einer Weite von 67,84 Metern dankte. Bianca Achilles schaffte nicht den Sprung nach Sydney. Mit 64,54 Metern blieb sie doch deutlich unter der Norm.

Die Hürdensprinter mit der Olympiateilnahme im Visier zeigten bereits in den Vorläufen Nerven. Mike Fenner offenbarte im Duell mit Florian Schwarthoff technische Mängel, Ralf Leberer musste sich als Zweiter Claude Edorh geschlagen geben. Nur Falk Balzer überzeugte mit 13,48 Sekunden als souveräner Sieger vor Jerome Crews. Im Finale überraschte schließlich Florian Schwarthoff mit seinem Sieg in 13,42 Sekunden. Ralf Leberer war als Zweiter überglücklich, damit den Sprung nach Sydney geschafft zu haben und gestand nachher: „Ich war schrecklich nervös heute.“ Der Dritte Falk Balzer hatte unmittelbar nach dem Zieleinlauf ein Hühnchen mit Claude Edorh zu rupfen. „Das ist einfach unsportlich“, lautete der Vorwurf des Jenaers an die Adresse von Edorh, der nach Ansicht Balzers den Start unnötig verzögert hatte. Florian Schwarthoff sagte im Hinblick auf Sydney: „Es ist sehr sehr viel Zeit noch.“ Bei den Frauen holte sich Kirsten Bolm erwartungsgemäß den Titel. Nun hofft sie darauf, dass der DLV bei der Nominierung ein Auge zudrückt und sie mit nach Sydney nimmt, nachdem sie im Laufe der Saison zwei mal knapp an den geforderten 12,90 Sekunden gescheitert war.

Über 400 Meter Hürden ließ sich Ulrike Urbansky (55,51 sec) auf der Zielgerade den Sieg von ihrer Teamkollegin Heike Meißner (55,68 sec) nicht mehr nehmen. Dritte wurde Maren Schott in 56,56 Sekunden. Heike Meißner gab nach dem Zieleinlauf bekannt: „Die Hürden laufe ich jetzt bis zum Ende meiner Karriere.“ Die beiden Trainingskolleginnen erklärten unisono, dass ihnen das gemeinsame Training sehr viel gebracht hat. Thomas Goller lief beim Männer-Finale schon auf der Gegengerade zu seinem Vordermann auf und siegte überlegen in 50,39 Sekunden vor Jan Schneider (51,19 sec).

Pech hatte im Weitsprung Sofia Schulte, die im letzten Versuch mit 6,64 Metern nur um einen Zentimeter an der zweiten Normerfüllung vorbei sprang. Heike Drechsler siegte mit 6,72 Metern. Mit Franka Dietzsch holte sich eine weitere routinierte Athletin den Titel im Diskuswerfen (65,45 m).

Spannung war über 400 Meter vorprogrammiert. Bei den Frauen stellte sich das deutsche „Who is who“ mit Ausnahme von Anja Rücker vor. Grit Breuer (51,22 sec) überflügelte auf der Zielgerade noch Uta Rohländer-Fromm (51,46 sec). Shanta Ghosh empfahl sich in der persönlichen Bestzeit von 51,74 Sekunden ebenso für die Olympiastaffel wie die eingebürgerte Florence Ekpo-Umoh (52,16 sec). Bei den Männern lief der zuletzt angeschlagene Ingo Schultz ein gutes Rennen, attackierte auf der Gegengerade („Das ist mein Bereich“), musste aber letztlich dem Bremer Kontrahenten Lars Figura den Titel überlassen. Dass die geforderten Zeiten für einen Staffelstart in Sydney nicht unterbieten werden können, war angesichts des bisherigen Saisonverlaufs abzusehen. 

Claudia Gesell hatte am Vortag bereits im Vorlauf die Olympianorm unterboten. Keine 24 Stunden später übernahm sie eigenverantwortlich die Aufgabe, die Pace auf der Jagd nach einer Zeit unter zwei Minuten zu machen. So kam die für Bayer Leverkusen startende Oberpfälzerin zu einem überzeugenden Start-Ziel-Sieg in 2:00,53 Minuten und hofft nun, als Härtefall vom DLV für die Spiele vorgeschlagen zu werden. Gesell war nach einer Pechsträhne erst am 8. Juli in die Saison eingestiegen.

Christian Rhoden qualifizierte sich mit 2,30 Metern endgültig für die Olympischen Spiele in Sydney. Den Sieg musste er allerdings dem höhengleichen Mannheimer Wolfgang Kreissig überlassen. Kugelstoßer Michael Mertens folgte dem Beispiel von Rhoden wenig später in der selben Stadionecke. Er übertraf die Norm ein zweites Mal und hat nun die Olympiateilnahme in der Tasche. Sieger Oliver-Sven Buder, der die 20-Meter-Marke knackte, meinte: „Der Höhepunkt ist Sydney und nicht Braunschweig.“ Die 200-Meter-Sprints entschieden Andrea Philipp, die sich der harten Konkurrenz von Sabrina Mulrain erwehren musste, und Marc Blume erwartungsgemäß für sich.

„Das ist mein erster Titel“, jubelte die 23jährige Kathleen Friedrich nach ihrem Sieg über 1500 Meter. Die Chemnitzerin hatte geschickt auf die Lücke gelauert und erfolgreich auf ihre Stärke auf den letzten 100 Metern vertraut. In dem taktischen Rennen, bei dem sich Irina Mikitenko als Dritte unter die Spezialistinnen mischte, wurde die Olympianorm deutlich verfehlt (4:17,99 min). Das unterstrich, dass selbst Kristina Da Fonseca-Wollheim, die bereits in Rom unter den 4:06,50 Minuten geblieben war, letztlich nur auf die Meisterschaft spekulierte. Bei den Männern überzeugte Youngster Wolfram Müller (3:39,09 min) als Zweiter hinter Dirk Heinze (3:38,75 min).

800-Meter-Sieger Nils Schumann (1:47,82 min) wäre gerne unter 1:47 Minuten gelaufen, sah sich aber auf sich alleine gestellt: „Es wäre schön gewesen, wenn die anderen mehr Initiative gezeigt hätten, um dem Publikum etwas zu bieten.“ Den Weg ins Olympische Finale bezeichnet er als „sehr schwer“. Die Teilnahme am Letzigrund-Meeting in Zürich sagte der Europameister ab, da er zu der Zeit den Schwerpunkt auf das Training legt.

Einen unterhaltsamen Nachmittag boten die Stabhochspringerinnen. In dem hochklassigen Wettkampf duellierten sich letztlich Yvonne Buschbaum, die in Braunschweig endgültig ihr Olympiaticket löste, und Nicole Humbert um den neuen deutschen Rekord bei 4,51 Metern. Beide scheiterten allerdings an dieser Höhe, was bedeutete, dass der Titel an Yvonne Buschbaum mit einer Höhe von 4,45 Metern ging.

Samstag

  • Karsten Kobs wirft Hammer auf 80,21 Meter

  • Kofi Amoah Prah springt mit 8,11 Meter zum Titel

  • Riedel, Schult und Möllenbeck sind die Diskuswerfer für Sydney

  • Dieter Baumann diktiert 5000-Meter-Lauf

  • Tanja Damaske steigert sich weiter

  • Claudia Gesell läuft im Vorlauf zur Olympianorm

  • Tim Lobinger siegt mit deutscher Jahresbestleistung

„Jetzt ist im Kopf vielleicht ein kleiner Knoten geplatzt“, stellte Hammerwerfer Kobs, der sich körperlich im Aufwind fühlt, nach seinem Sieg fest. Mit 80,21 Metern gelang ihm der erste 80-Meter-Wurf des Jahres im fünften Versuch. Heinz Weis war mit seinen 77,94 Metern und dem zweiten Platz sichtlich unzufrieden. Er konnte seinem Leverkusener Vereinskollegen nicht mehr kontern. Als Dritter überraschte Markus Esser mit 76,66 Metern, wodurch er zugleich die Olympianorm übertraf. „Der beste Wettkampf meines Lebens“, jubelte er.

Nadine Kleinert-Schmitt hatte im Kugelstoßen der Frauen erwartungsgemäß mit 18,79 Metern keine Mühe. Zweite wurde Nadine Beckel (18,01 m) vor Ilona Beyer (17,00 m). Irina Mikitenko musste sich über 5000 Meter der hartnäckigen Luminita Zaituc erwehren. Mikitenko gelang es nicht, sich auf den letzten beiden Runden abzusetzen. Auf der Zielgerade brachte sie jedoch den Sieg in 15:50,55 Minuten unter Dach und Fach. 

In einem Fotofinish kam Esther Möller über 100 Meter zu einem knappen Sieg in 11,44 Sekunden gegen die favorisierte Andrea Philipp (11,46 sec). Im Weitsprung erreichte Kofi Amoah Prah im letzten Versuch 8,11 Meter und siegte damit vor Konstantin Krause.

Lars Riedel (65,67 m), Jürgen Schult (64,66 m) und Michael Möllenbeck (63,99 m) sind die drei Diskuswerfer, die nach Sydney fahren. Andreas Seelig (62,66 m) ist der unglückliche Vierte, der trotz erfüllter Olympianorm zuhause bleiben muss. Alina Astafei (1,87 m) erreichte im Hochsprung den zweiten Rang. Die Mannheimerin, die seit zwei Monaten wieder schmerzfrei ist, meldete sich damit in der nationalen Spitze zurück und stellte nachher fest: „Ich muss weiter an mir arbeiten.“ Es siegte Amewu Mensah mit 1,90 Metern. 

Stabhochspringer Tim Lobinger übersprang die deutsche Jahresbesthöhe von 5,85 Metern. Danny Ecker (5,75 m) und Michael Stolle (5,70 m) sicherten sich die weiteren Olympiatickets. Lars Börgeling schaffte zwar auch die Olympianorm, wurde aber nur Vierter und wird damit wohl bei der Nominierung den Kürzeren ziehen. „Alles hing an einem Sprung. Da war ich der Ohnmacht nahe“, stellte ein glücklicher Danny Ecker fest. Der Leverkusener hatte nach erheblichen Rückenproblemen damit noch den Sprung auf den Zug zu den Olympischen Spielen geschafft.

Dieter Baumann („Emotional war das der schönste Titel für mich“) diktierte den 5000-Meter-Lauf in beeindruckender Manier und einer Zeit von 13:39,17 Minuten. Dahinter kamen Jirka Arndt (13:45,66 min) und Jörn Wagner (14:04,27 min) ins Ziel. Damian Kallabis gewann den Hindernislauf mit einer Zeit von 8:31,64 Minuten. 

Tanja Damaske steigerte sich im Speerwerfen weiter. Nur einen Tag nach ihrem Auftritt in Oslo verbesserte sie sich bei den Deutschen Meisterschaften auf gute 66,73 Meter und jubelte über diese neue persönliche Bestleistung mit dem neuen Speer. Steffi Nerius (63,95 m) holte sich den Vize-Titel. Karen Forkel (57,20 m) verpasste als Vierte die Chance, sich noch für Sydney zu qualifizieren. 

Marc Blume schaffte zwar über 100 Meter mit 10,19 Sekunden endlich die Olympianorm, scheiterte mit der 4×100-Meter-Staffel dann aber an diesem Vorhaben. Was bedeutet: keine Männersprinter nach Sydney. Eine Normerfüllung über die Kurzstrecke ist zu wenig, außer DLV und NOK drücken ein Auge zu.

Über 800 Meter wollten die Läuferinnen gleich im Vorlauf die Olympianorm attackieren. Entsprechend couragiert gingen Ivonne Teichmann, Linda Kisabaka und Claudia Gesell das Rennen an. Auf der Gegengerade der zweiten Runde schob sich Gesell an Position zwei und attackierte weiter. Mit Erfolg! In 1:59,71 Minuten siegte sie in Olympianorm bereits im Vorlauf. 

Stefan Holz verpasste über 400 Meter den Finaleinzug. Die Vorläufe gewannen Marco Krause (47,27 sec), Lars Figura (46,73 sec) und Michael Dragu (47,33 sec). Der deutsche Jahresbeste Ingo Schultz zog als Vorlaufzweiter in das Finale ein (47,58 sec) und war froh, dass sein angeschlagenes Bein hielt. Der Bergedorfer will im morgigen Finale mehr als nur einen besseren Trainingslauf hinlegen.

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