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Wie gut ist der neue Star wirklich?

Bilderserie Svetlana Feofanova

28.06.00 (mab) Erst vor kurzem tauchte ein neuer Stern am Himmel der Stabhochspringerinnen auf: Svetlana Feofanova übersprang 4,50m und katapultierte sich damit in die absolute Weltspitze. Grund genug, dem Geheimnis ihres Erfolgs etwas auf den Grund zu gehen. Wir haben einen Sprung beim „Live 2000“ in Nürnberg über 4,30m analysiert.

(Kursiv geschriebene Begriffe werden im Lexikon erklärt)

Einstichphase (1. Bildreihe): Feofanova sticht sehr gut und sehr schnell ein: So ist beim vorletzten Bodenkontakt (Bild 3) der Stab schon etwas höher als das Ohr und eine übermäßige Verdrehung des Rumpfes nicht zu erkennen, wie sie z.B. Stacy Dragila praktiziert. Das ist aber positiv zu werten.
Der Absprung ist nur leicht unterlaufen, da im 5. Bild noch keine Vorbiegung des Stabs zu erkennen ist; somit hat die Stabspitze die Einstichkastenrückwand noch nicht erreicht.

Absprungphase (1./2. Bildreihe): Leider steht hier der nette altersblonde Kampfrichter etwas im Weg, aber die wesentlichen Elemente sind trotzdem zu erkennen: Svetlanas rechter Arm ist im Moment des Absprungs maximal gestreckt und der linke Arm leicht gebeugt, was nach neuerer Technikauffassung als optimal angesehen werden kann. Außerdem positiv: das „Nach-vorne-Streben“ der rechten Schulter nach dem Absprung (Bild 6), was zu einer optimalen „C-Position“ (2.Bildreihe, 1. Bild) führt.

Phase der „Sprungbeinpeitsche“ (2. Bildreihe, Bild 2-4): Auch diese Phase gibt kaum zu Tadel Anlass. Feofanova kann schon kurz nach Erreichen der C-Position den linken Arm in eine Streckung bringen (Bild 2). Das Sprungbein peitscht nahezu gestreckt nach vorne. Leider geht diese Streckung schon in der Waagrechten leicht verloren (Bilder 4,5). Optimal wäre, auch in der Phase des Aufrollens das Sprungbein gestreckt zu lassen. Balakhonova kann dies vorbildlich. Bei Feofanova könnte man auf noch geringe Defizite im Bereich der Rumpfmuskulatur vorne oder dem Turnen schließen.

Phase des Aufrollens (2. Bildreihe, Bild 4-6): Erneut kann man indirekt leichte Defizite in der Rumpfkraft erkennen, da zum kompletten Aufrollen der Kopf leicht in den Nacken gelegt werden muss (Bild 5). Das Tempo des Aufrollens ist nicht so hoch wie z.B. bei Stacy Dragila.

Phase der Verlängerung (3. Bildreihe, Bild 1, 2): Diese Phase wird nicht komplett zu Ende geführt, was aber nicht weiter verwundert, da bisher noch keine der Frauen weltweit in der Lage ist, einen Sturzhang á la Bubka hinzulegen. Hier müsste der Kopf kontrolliert in den Naacken gelegt werden, was aber unterbleibt (Bild 2).

Phase des „Zug-/ Drehumstützes“ (3. Bildreihe, Bild 2-5): Nun machen sich, wie so oft im Stabhochsprung, die Fehler vorangegangener Phasen bemerkbar. So kann der Zug-/Drehumstütz aufgrund des zu langsamen Aufrollens und der mangelnden Verlängerungsphase nicht genau senkrecht nach oben erfolgen. Dazu wäre eventuell auch die Vertikalgeschwindigkeit zu gering. Folge ist eine geringere Sprunghöhe.

Phase der Lattenüberquerung: In dieser Phase gibt es große individuelle Unterschiede. Feofanova zeigt aber keine Fehlerbilder, die den Sprungablauf negativ beeinflussen würden.

Fazit: Mit dem Sprung in Nürnberg ist deutlich geworden, dass Feofanova auch technisch zu den drei besten der Welt gehört. Sie ist was die sehr wichtige Einstich- und Absprungphase betrifft, Dragila überlegen und hat ihre Fehler erst im späteren Sprungbereich. Meiner Ansicht nach kann sie durch Ausgleich ihrer angesprochenen konditionellen Defizite schnell zu Dragila aufschließen. Ob dies allerdings schon bis Sydney klappt, steht in den Sternen.

Lexikon:
unterlaufen: Im Moment des Absprungs sollte der Sprungbeinfuß direkt senkrecht unter der oberen Griffhand am Boden stehen. Ist er näher an der Sprungmatte spricht man von „unterlaufen“, im umgekehrten Fall von „hinterlaufen“.
C-Position: Kurz nach dem Absprung kommt es zu einem Vordrängen der Hüfte, wodurch der Körper der Springerin (mit etwas Fantasie) die Form eines C beschreibt.
„Sprungbeinpeitsche“: Ein meines Wissens von Prof. Dr. Kruber aus Zweibrücken geprägter Begriff, der das gestreckte „Nach-Vorne-Oben“-Schnellen des Sprungbeins nach der Phase der „C-Position“ beschreibt.
„Verlängerung“: Nach dem Aufrollen ist die Phase der Stabstreckung noch nicht zu Ende. Während sich der Stab also noch weiter seiner ursprünglichen Form nähert, versucht der Springer, den Sprung zu verlängern, d.h. die Stabstreckung für seine Sprunghöhe so effektiv wie möglich zu gestalten: dazu muss er seinen Körperschwerpunkt dem Stab möglichst nahe annähern. In der Regel erfolgt in der Phase der Verlängerung die Streckung zum Sturzhang.
 
 

von Matthias Böhm

 

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