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Hallen-Weltmeisterschaft in Lissabon

Roman Sebrle diktiert Siebenkampf

Borzakovsky lässt sich nicht austricksen – Bronze für DLV-Staffel


11.03.01 (fc) Nur noch Hoffnungsschimmer gab es am dritten und letzten Tag der Hallen-Weltmeisterschaft in Lissabon aus deutscher Sicht. Tim Goebel, Martin Buss und die 4×400-Meter-Staffel der Frauen waren die einzigen Vertreter des DLV. Erfrischend war der Auftritt des Nachwuchssprinters, der in den Endlauf vordrang: „Ich hätte niemals gedacht, dass ich ins Finale komme.“ Das war wohl auch eine der wenigen Erscheinungen, die dem vielbeschäftigten DLV-Präsidenten Prof. Dr. Helmut Digel ins Auge stachen. Er zog ein nüchternes Fazit: „Wir können mit den Leistungen nicht zufrieden sein.“ Darüber täuschte auch nicht hinweg, dass sich die 4×400-Meter-Staffel der Frauen mit einer akzeptablen Leistung noch die Bronzemedaille holte. Roman Sebrle (Bild) zog im Siebenkampf der Männer einsam seine Kreise und wurde nie wirklich gefährdet. Yuri Borzakovsky roch auf den 800 Metern die Lunte vom Schweizer Bucher und ließ sich nicht überrumpeln. Das Gleiche galt bei den Frauen für das Duell zwischen Olympiasiegerin Maria Mutola und der Österreicherin Stephanie Graf.

Bereits im ersten Versuch hatte Dreisprung-Olympiasiegerin Tereza Marinova mit einer Weite von 14,91 Metern die Weichen zu einem weiteren Titel gestellt. Die Russin Tatjana Lebedeva (14,85 m) gab sich zwar alle Mühe, konnte die Bulgarin allerdings nicht mehr überflügeln.

Sandie Richards (JAM), die sich in Australien im Freien auf die Hallen-WM vorbereitet hatte, erwehrte sich in glänzenden 51,04 Sekunden über die 400 Meter dem Angriff der schnellen Russinnen Olga Kotlyarova und Olesya Zykina. Als offen erschien der Lauf der Männer im Vorfeld. Geheimtipp Daniel Caines heftete sich sofort an die Fersen des auf der Außenbahn laufenden Danny McFarlane (JAM) und zog vor der zweiten Runde vorbei. In der Führungsposition liegend, ließ sich der Brite nicht mehr überholen. Milton Campbell (USA) kam auf der Zielgerade Caines (46,40 sec) noch sehr nahe, ihm fehlten aber ein paar weitere Meter.

Hicham El Guerrouj (MAR) startete auf den 3000 Metern nach fünf Minuten einen ersten Angriff. Der Belgier Mohammed Mourhit konnte jedoch den Anschluss noch einmal herstellen. Als der Marokkaner (7:37,74 min) jedoch auf der letzten Runde noch einmal das Tempo verschärfte, war der Cross-Weltmeister geschlagen. Für El Guerrouj war es eine kleine Genugtuung nach der Niederlage bei den Olympischen Spielen über 1500 Meter.

Sonia O’Sullivan (IRL) bremste aus taktischen Gründen auf den 1500 Metern zunächst das Tempo. Drei Runden vor dem Ende war es mit der Geduld von Carla Sacramento (POR) vorbei. Sie setzte sich unter dem Jubel ihres Publikums an die Spitze, gefolgt von der Marokkanerin Hasna Benhassi. O’Sullivan konnte längst nicht mehr folgen. Auf der letzten Runde folgte der Angriff von Hasna Benhassi und Violeta Beclea-Szekely. Die Nordafrikanerin zog auf der Zielgerade noch weiter an und siegte in 4:10,83 Minuten.

Vom Startschuss weg attackierte die österreichische Vorzeigeläuferin Stephanie Graf auf den 800 Metern. Nach der halben Strecke setzte sich Helena Fuchsova nach vorne, während Maria Mutola das Geschehen noch beobachtete. Auf der Gegengerade der letzten Runde kamen die beiden Favoritinnen auf und die Olympiasiegerin schaffte es noch, sich in 1:59,74 Minuten an der Österreicherin vorbeizuschieben und dieser hauchdünn einen Strich durch die Olympiarevanche zu machen.

Mit einer besonderen Taktik ging Andre Bucher das 800-Meter-Männerrennen an. Er spekulierte darauf, dass sich Yuri Borzakovsky wie üblich zunächst zurückhält. Dieser roch aber schon bald die Lunte und verbesserte sich auf den zweiten Platz. Allerdings mit deutlichem Rückstand auf Bucher vor der letzten Runde. Während dem Schweizer aber die Luft ausging, stürmte der junge Russe in 1:44:49 Minuten als klarer Sieger ins Ziel. Bucher brachte hinter Johan Botha gerade noch Bronze in trockene Tücher.

Der deutsche Hochspringer Martin Buss scheiterte dreimal an der Höhe von 2,29 Metern und wurde am Ende Fünfter. Mit 2,32 Metern setzte sich der kleine Schwede Stefan Holm in der Konkurrenz vor dem Ukrainer Andrej Sokolovsky und seinem Landsmann Staffan Strand (je 2,29 m) durch. Im Weitsprung war der Kubaner Ivan Pedroso nicht annähernd zu gefährden. Mit 8,43 Metern hatte er den Bewerb zu jeder Zeit im Griff. Freuen durften sich die Zuschauer über eine Bronzemedaille für den Portugiesen Carlos Calada, der mit 8,16 Metern ebenso Landesrekord sprang wie der weitengleiche Kareem Streete-Thompson (CAY).

Im Siebenkampf der Männer gab es am zweiten Tag kaum Veränderungen. Auch Olympiasieger Erki Nool gelang es nicht mehr, das Feld von hinten aufzurollen. Der Wettkampf gehörte somit dem tschechischen Olympiazweiten Roman Sebrle, der auf den abschließenden 1000 Metern noch einmal auf die Zähne biss und seine Extraklasse eindrucksvoll unter Beweis stellte, obwohl er in der ein oder anderen Disziplin nicht mit sich zufrieden war.

Das Kölner Sprinttalent Tim Goebel war eine der ganz wenigen DLV-Hoffnungen am letzten Tag. Aber bereits im Vorlauf über 60 Meter traf er auf starke internationale Konkurrenz, der er sich in 6,69 Sekunden als Dritter hinter Mark Francis-Lewis (GBR) und Matt Shirvington (AUS) auch beugen musste. Als einer der Zeitschnellsten erreichte er jedoch locker die nächste Runde. Dort verkaufte er sich in 6,59 Sekunden glänzend und stürmte als Zweiter in den Endlauf. Bei den Frauen machte die Bulgarin Petja Pendareva mit exzellenten 7,04 Sekunden (Weltjahresbestzeit) bereits vor dem Finale nachhaltig auf sich aufmerksam. Für Tim Goebel ging es unter den letzten Acht nur darum, sich möglichst achtbar aus der Affäre zu ziehen. Nach mehreren Fehlstarts vermochte der Nigerianer Deji Aliu seine Disqualifikation nicht fassen. Den Sieg holte sich mit Tim Harden (USA) in 6,44 Sekunden der Favorit. Tim Goebel bestätigte als Sechster in 6,59 Sekunden sein Niveau. Mark Lewis-Francis (GBR) lief in 6,51 Sekunden neuen Junioren-Weltrekord und auf den dritten Platz. Die schnellste Frau war Chandra Sturrup (7,05 sec), während Pendareva bereits ihr Pulver verschossen hatte und leer ausging.

Pudelwohl fühlte sich die deutsche 4×400-Meter-Frauenstaffel in der Außenseiterrolle. Startläuferin Claudia Marx schickte Birgit Rockmeier als Zweite auf die Strecke. Florence Ekpo-Umoh lief couragiert wieder auf den zweiten Platz hinter Jamaika, während die US-Formation abfiel. Shanta Ghosh ging als Zweite auf die letzte Teilstrecke. Hinter der Russin Kotlyarova und vor Richards kam ihr die Rolle des Hechts im Karpfenteich zu. Die Rehlingerin musste auf der Zielgerade Sandie Richards noch vorbeiziehen lassen, brachte aber die zweite DLV-Medaille in 3:31,00 Minuten ins Ziel. Bei den Männern taten sich die Briten überraschend schwer, während die USA klar in Führung lagen. Polen, Jamaika und Russland kämpften um die weiteren Medaillen. Letztlich überliefen die Polen in 3:04,48 Minuten noch die US-Staffel. 

Das Fazit des scheidenden DLV-Präsidenten Prof. Dr. Helmut Digel fiel nüchtern aus: „Unsere Erwartungen wurden gewiss nicht erfüllt. Es müssen einige zurecht enttäuscht sein. Wir können nicht mit den Leistungen, die hier erbracht wurden, zufrieden sein. Die Atmosphäre im Umfeld hat auch die Mannschaft belastet. Der Anti-Doping-Kampf muss aber konsequent fortgeführt werden.“

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