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Domspringen in Köln

„Ne super jeile Zigg“ von Stolle & Co

5.000 Zuschauer beim vierten NetCologne Domspringen in Köln

06.09.01 (ck) Eine gigantische Kulisse mit dem Kölner Dom nur wenige Meter hinter der Sprunganlage, die Stars zum Anfassen nahe, Spannung, Emotionen und dazu noch Weltklasseleistungen – das 4. NetCologne Domspringen in Köln war allerbeste Werbung für die Leichtathletik. 5.000 begeisterte Zuschauer feierten am späten Mittwoch Abend auf dem Roncalliplatz der Rheinmetropole ein wahres Stabhochsprung-Fest. Und mit dem Sieger Michael Stolle (TSV Bayer 04 Leverkusen/5,80 Meter) und dem in seinem letzten Wettkampf noch einmal drittplatzierten Andrej Tiwontschik (USC Mainz/5,60) hatte der Abend zudem zwei Stars, mit denen sich das Publikum mehr als normal identifizierte.

Trotz des riesigen Erfolges könnte es allerdings das letzte Domspringen auf dem Roncalliplatz gewesen sein. Für den Ort neben dem Kölner Dom soll eine neue Nutzungsordnung erstellt werden. Der könnte auch der Stabhochsprung-Wettbewerb zum Opfer fallen. Doch die Veranstaltung hat prominente Fürsprecher: „Ich bin der Auffassung, das hier ist so toll, darauf darf man nicht verzichten“, sagte Kölns Regierungspräsident Jürgen Roters gestern. Er ist zugleich auch Vorsitzender des ausrichtenden LT DSHS Köln und meinte weiter: „Die Sportler kommen hier mit so viel Begeisterung her, dass wir sie nicht mal mit Geld locken müssen. Es gibt in Köln keinen anderen Platz mit so viel Atmosphäre. Das Domspringen muss hier bleiben.“

Andrej Tiwontschik mit Wunderkerzen verabschiedet
Für einen war es am Mittwoch in jedem Fall das letzte Springen. Andrej Tiwontschik vom USC Mainz verabschiedete sich endgültig von seiner Karriere als Aktiver. Knieprobleme zwangen ihn zu diesem Schritt. Der Olympia-Dritte von Atlanta 1996 ließ es zum Abschluss aber noch mal richtig krachen. Mit 5,60 Metern überbot er seine Saisonbestleistung um zehn Zentimeter. Anschließend versuchte er sich gar an 5,70 Metern. Bei seinem dritten Versuch erhob sich das Publikum von den Plätzen. Tiwontschiks Kollegen standen neben der Anlage und hielten Wunderkerzen in den Händen. „Es war klasse hier zu springen. Das Publikum und der schnelle Anlauf. Beides hat riesigen Spaß gemacht“, befand der 31-jährige gebürtige Weißrusse anschließend. „Ich bin schon traurig, dass ich aufhören muss, denn das Springen macht noch viel Spaß. Ich werde es vermissen. Aber leider geben meine Knie nichts mehr her.“

Zweiter wurde der Leverkusener Lars Börgeling, der einen Tag nach seinem erfolgreich absolvierten Eignungstest an der Deutschen Sporthochschule nach Köln zurückkehrte und 5,70 Meter überwand. „Das ist cool. Die Atmosphäre hier ist super. Der Dom ist so gigantisch hoch, da sehen unsere Höhen richtig mickrig gegen aus.“ Die Veranstaltung sei zum Abschluss der Saison ein tolles „Aha-Erlebnis“ gewesen, das Motivation fürs Wintertraining bringe.

An Wintertraining mag Tim Lobinger (LAC Quelle Fürth/München) indes noch nicht denken. Der Kölner Lokalmatador ist immer noch auf der Suche nach einem neuen Verein, bislang jedoch ohne Erfolg: „Schön wäre es, wenn der Stress vorbei wäre. Dann würde ich es bekannt geben und es mir auf’s T-Shirt schreiben“, kündigte er an. Am Mittwoch überwand er 5,50 Meter und scheiterte anschließend erst zweimal an 5,70 Meter und im letzten Versuch auch an der Höhe von 5,80 Meter. So wurde er Vierter. Und der Sieger? Es war 22 Uhr, als die Latte erstmals auf 6,01 Meter gelegt wurde. Kurz zuvor hatte Michael Stolle unter dem begeisterten Jubel der Zuschauer die 5,80 Meter im dritten Versuch überquert und sich damit drei weitere Chancen eröffnet. Nun ging er aufs Ganze. Der inoffizielle Weltrekord für Marktplatzspringen sollte her. Dieser steht bei sechs Metern und wird seit dem Domspringen des Jahres 2000 vom US-Amerikaner Jeff Hartwig gehalten. Für Stolle wäre es der erste Sechs-Meter-Sprung seines Lebens gewesen. Auch wenn es etwas zu kalt und unangenehm windig war, schien an diesem Tag alles zu passen. Das Publikum stand felsenfest hinter dem Leverkusener und war bereit, den 26-jährigen wenn nötig sogar über die Latte zu tragen. Denn er gehört zu ihnen. „War dat doch früher ne super jeile Zigg“ der Kölner Band „Brings“ hallte aus den Lautsprechern, wenn der Schützling von Jörn Elberding sprang. Für die Zuschauer das Signal, sich in die Arme zu nehmen, mitzuschunkeln und den Athleten über die Maßen zu unterstützen. 

Im dritten Anlauf hätte das auch fast geholfen. Keiner saß mehr, als Stolle den federnden Laufsteg herunter Richtung Anlage brauste und äußerst knapp riss. „Die Höhe war hammermäßig gut“, würde er hinterher sagen. „Die Ständer hätten fünf Zentimeter vor gemusst und es hätte gereicht. Das war der erste Sprung in dieser Saison bei dem ich unterwegs gemerkt habe, das ich ihn voll treffe.“ Gleichzeitig würde er dem Publikum ein Kompliment machen: „Bei den Bedingungen wagt man eigentlich keine ernsthaften drei Versuche über 6,01 Meter. Aber bei diesen Zuschauern musste ich es einfach machen.“ Doch das war später. Zuerst kam der Jubel und die Welle, dirigiert und in Gang gesetzt von Michael Stolle. Musikalisch begleitet von Brings. Gemeinsam feierte man „ne super jeile Zigg“. 

von Christian Klaue

Die Ergebnisse: 1. Michael Stolle (TSV Bayer 04 Leverkusen) 5,80 Meter 2. Lars Börgeling (TSV Bayer 04 Leverkusen) 5,70 Meter 3. Andrej Tiwontschik (USC Mainz) 5,60 Meter 4. Tim Lobinger (LAC Quelle Fürth/München) 5,50 Meter 5. Richard Spiegelburg (TSV Bayer 04 Leverkusen) 5,50 Meter 6. Adam Kolasa (Polen) 5,50 Meter 7. Björn Otto (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) 5,40 Meter 8. Tye Harvey (USA) 5,30 Meter 9. Hendrik Hübner (TSV Bayer 04 Leverkusen) 5,20 Meter 10. Christof Groß (TSV Bayer 04 Leverkusen) 5,20 Meter 11. Rens Blom (Niederlande) 5,20 Meter

o.g.V. Danny Ecker (TSV Bayer 04 Leverkusen)

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