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Der Dopingfall Baumann

Baumann kämpft um Glaubwürdigkeit

DLV entscheidet am Samstag über Sperre des Läufers

19.01.00 (fc) Die Nachricht „Dieter Baumann gedopt“ von Mitte November ist allen Leichtathletikfreunden noch bestens im Gedächtnis. Mittlerweile sind über zwei Monate vergangen. Zwei Monate, in denen der Betroffene verzweifelt um seine Unschuld und Glaubwürdigkeit kämpfte. Am kommenden Samstag entscheidet das Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) über eine Sperre des Athleten. Ausschlaggebend wird aufgrund des eindeutigen Dopingbefunds der Bericht der Staatsanwaltschaft Tübingen hinsichtlich der von Baumann angezeigten Manipulation seiner Zahnpasta sein.

Allerdings kann sich Baumann von dieser Seite momentan wenig Hilfe erhoffen. Trotz der von ihm ausgesetzten Belohnung in Höhe von 100.000 Mark für sachdienliche Hinweise ist die Behörde keinen Schritt weiter. Nach einem großen „Aha-Effekt“ im Anschluss an die Entdeckung der mit Nandrolon versetzten Zahnpasta schwand im Laufe der Zeit auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Theorie, nachdem bis heute kein Täter ermittelt werden konnte. Dieser Meinungsumschwung traf den in Misskredit geratenen Sportler so schwer, dass er sich immer wieder lautstark zu Wort meldete, um seine Unschuld zu beteuern und dies letztendlich mit der Belohnung zu unterstreichen. Ein anonymer Hinweis verdächtigte einen hohen Funktionär aus alten DDR-Zeiten. Nachdem der Staatsanwaltschaft diese Möglichkeit bereits anfangs in Betracht gezogen hatte, löste sich dieser Hoffnungsschimmer zumindest vorerst wieder in Luft auf.

Dieter Baumann ist nach wie vor davon überzeugt, rehabilitiert zu werden. Sein Rechtsanwalt spricht von einer „lückenlosen Indizienkette“. Nach Einschätzung von DLV-Vize und Rechtsexperte Clemens Prokop wird dies allerdings nicht ausreichen. Der Verband hält nach der aktuellen Aktenlage einen Freispruch für unrealistisch. Es ist nach wie vor unrelevant, wie das Nandrolon in den Körper gelangt ist. Als entscheidend gilt, dass es dort vorgefunden wurde. Und dies war bei Baumann bei zwei Proben im Oktober und November zweifelsfrei der Fall. Der Betroffene selbst, einst ein Vorreiter im Anti-Doping-Kampf, hat sich schon seit langem von diesem Punkt des Dopingrechts abgewandt, was auch Prokop zu seinem Bedauern feststellte.   

Der Fall brachte nicht nur Baumann in die Schusslinie Dieter Baumanns Dopingbefund beschäftigte ausgiebig die Medien und rückte auch noch weitere bedeutende Köpfe aus der Leichtathletik in den Mittelpunkt der Kritik. Unmittelbar im Anschluß an die Suspendierung im November bezog DLV-Präsident Digel heftig Schelte dafür, dass er sich zunächst hinter sein Aushängeschild Baumann stellte. Der Spitzenfunktionär selbst rügte wenig später Dopingfahnder Schänzer, weil dieser praktisch im Alleingang die manipulierte Zahnpasta ermittelte. Für Professor Schänzer war die Sache damit aber noch lange nicht ausgestanden. Der Verband zog Konsequenzen. Wegen Befangenheit im Fall Baumann darf er inzwischen keine Urinproben von deutschen Leichtathleten in seinem Kölner Labor mehr analysieren. Opfer von Verdächtigungen waren Stephane Franke und Damian Kallabis. Die beiden Athleten wurden urplötzlich als mögliche Täter gehandelt, als bekannt wurde, dass sie zur selben Zeit wie Baumann im vergangenen Sommer in St. Moritz im Trainingslager waren. 

Wie wird der DLV entscheiden?

Nach der momentan bekannten Sachlage deutet vieles auf eine Sperre Baumanns hin. Ohne Beweise oder zumindest eine Indizienkette, die die Unschuld mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit untermauert, wird das DLV-Präsidium kaum die Suspendierung zurücknehmen und Baumann rehabilitieren. Allein schon deshalb, weil damit alle zukünftigen Dopingfälle zu einer Farce werden würden und einzig das Vorzeigen eines manipulierten Beweisstücks einen Freispruch zuließe. Der Verband wird sich die Entscheidung pro oder contra ihres über lange Jahre verdienten Sportlers nicht leicht machen. Auch eine Vertagung erscheint möglich, da die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind.

Dieter Baumann im Portrait:

geboren am 9. Februar 1965 in Blaustein

Erfolge: 2. Platz Hallen-EM 1987 3000m Silber Olympia 1988 5000m Hallen-Europameister 1989 3000m 3. Platz Hallen-WM 1989 3000m Olympiasieger 1992 5000m Europameister 1994 5000m

Silber EM 1998 10000m

Dieter Baumann legte die letzten 200 Meter auf dem Weg zu seinem Olympiasieg in Barcelona in einem unvergessenen Finish in 25.0 Sekunden zurück. Bis 1994 blieb er auf den 5000 Metern unbesiegt. 1997 war er der erste Europäer, der die 5000 Meter unter dreizehn  Minuten lief und brach damit zugleich den 15 Jahre alten Europarekord des Briten David Moorcroft. Nach seinem 2. EM-Platz von Budapest 1998 verzichtete er im Jahr darauf auf die Weltmeisterschaft in Sevilla, um sich ganz auf die Jahrtausendspiele in Sydney konzentrieren zu können.

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